LVR-Institut für Landeskunde
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Corona - eine Wortgeschichte

Kaum ein Wort hat in den letzten Jahren wohl eine so steile Karriere hingelegt wie Corona: Seit der rapiden Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 hat sich die Bezeichnung weltweit für die hierdurch hervorgerufene Krankheit etabliert (ursprünglich werden als Coronaviren eine ganze Gruppe von Viren bezeichnet, die Atemwegserkrankungen hervorrufen). Wortgeschichtlich betrachtet, stammt das Wort Corona aus dem Lateinischen und bedeutet 'Kranz, Krone'. Die lateinische Form hat ihren Ursprung wiederum im Griechischen, wo korṓnē (κορῶνη) 'Gekrümmtes' bedeutet, wovon die weiteren Bedeutungen ‚'Krähe (nach dem gekrümmten Schnabel), Ring, Kranz, Krone, das gekrümmte Ende des Bogens, Ende, Spitze' abgeleitet wurden (DWDS, Eintrag 'Krone'). Durch die häufige bildliche Darstellung der Viren in Print- und Onlinemedien ist inzwischen auch schon recht bekannt, wieso die Viren diesen Namen tragen: Unter dem Mikroskop vergrößert, sieht es so aus als sei die kugelförmige Hülle von einer Krone oder einem Strahlenkranz umgeben.

Mikroskopaufnahme Coronavirus Coronavirus mit 'Strahlenkranz'

Corona bedeutet im Deutschen also 'Krone' – klingt ähnlich und tatsächlich geht die deutsche Form auf das lateinische Wort zurück. Aber wie kommt es zu den Veränderungen, warum ist das deutsche Krone zum Beispiel deutlich kürzer? Eine Erklärung für diesen Unterschied liefert eine sprachliche Entwicklung in den germanischen Sprachen, zu denen das Deutsche ja gehört, die etwa in der Zeit vom 8. bis zum 11. Jahrhundert die Lautstruktur vieler Wörter verändert hat: die sogenannte Nebensilbenabschwächung. Im Gegensatz zu den romanischen Sprachen, wie dem Lateinischen, dem Italienischen oder Französischen, wird in den germanischen Sprachen ein Wort in aller Regel die Wurzelsilbe, meist die erste des Wortes, betont (Ausnahmen gibt’s zum Beispiel bei jüngeren, nicht germanischen Lehnwörtern wie Aktion und einigen dreisilbigen Wörtern wie Forelle oder lebendig). In Folge dieser starken Betonung einer Silbe, wurden die anderen Vokale des Wortes zunehmend zum Murmelvokal e (wie im Auslaut von Ende) abgeschwächt oder fielen ganz aus: althochdeutsch gināda > neuhochdeutsch Gnade, althochdeutsch kiricha > neuhochdeutsch Kirche. Diesen Prozess können wir auch an Corona/Krone sehr gut beobachten. Zuerst wird das lateinische Wort in seiner Originalform etwa im 8. Jahrhundert ins Althochdeutsche entlehnt, dann treten die lautlichen Veränderungen nach und nach ein: althochdeutsch corōna >mittelhochdeutsch corōne, krōne, krōn > neuhochdeutsch Krone. Vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen wird das a am Wortende zum Murmelvokal e abgeschwächt, manchmal fällt es sogar ganz aus (Apokope) (zu dieser Zeit gab es noch keine geregelte Rechtschreibung mehr). Das o in der ersten Silbe des Wortes verschwindet (Synkope), so dass das betonte o als einziger Vollvokal im Wort erhalten bleibt. Zum Neuhochdeutschen setzt sich dann die Variante mit e am Wortende durch, allerdings nicht in den rheinischen Dialekten: In den ripuarischen Mundarten lautet das Wort krun, im Bergischen Land und im Kleverländischen kron und im Südniederfränkischen kruen.

Neben der Veränderung der Vokale fällt natürlich auch die unterschiedliche Schreibung des Anlauts ins Auge: Im Lateinischen und in der frühen Zeit im Deutschen C, heute K. Hier spiegelt sich ebenfalls eine Entwicklung wider, die an vielen Lehnwörtern beobachtet werden kann: Der Laut [k] wird in der lateinischen Schreibung mit <c> wiedergegeben. Dies übernimmt das Deutsche in der Regel zuerst, doch wenn Lehnwörter häufiger verwendet werden, wird ihre Schreibung häufig den deutschen Regeln (also <k> für [k]) angepasst: Calcium > Kalzium (steht lateinisches <c> vor e, i, y, ä, ö und wird [ts] gesprochen, wird es zu <z>), Accusativ > Akkusativ oder Copie > Kopie (Duden 1, S. 279).

als Prinzessin verkleidetes Mädchen, mit rosa Kleid und Krone Mädschen mit Krönschen! Karnevalsprinzessin mit rotem Umhang, Krone und Blumenstraus Fotos: Peter Weber, LVR-ILR

In der Sprachwissenschaft begegnet Corona noch in einem ganz anderen Zusammenhang: In vielen mitteldeutschen Dialekten, gerade auch in denen des zentralen Rheinlandes, findet sich das Phänomen der Koronalisierung. Als solche wird die Aussprache von hochdeutschem /ch/ als /sch/ bezeichnet: Geschischte statt Geschichte, isch statt ich und Krönschen statt Krönchen. Hier liegt die zweite Bedeutung des lateinischen Ursprungswortes vor: Kranz. Denn als Zungenkranz (oder eben Korona) wird der vordere Teil der Zunge bezeichnet. Spricht man anstelle eines /ch/ ein /sch/ kommt dieser in Bewegung, biegt sich Richtung Gaumen und erzeugt so den koronalisierten Laut.

Charlotte Rein

Literatur: