LVR-Institut für Landeskunde
und Regionalgeschichte
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Alltag unter der Perspektive Krise

Als Abteilung Alltagskultur und Sprache des LVR-ILR haben wir uns aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Forschungsansätzen intensiv mit dem Thema Krise und Krisenbewältigung beschäftigt. Durch Forschung und Vermittlung wurden insbesondere die Alltagsrelevanz von Krisen deutlich, die – mal mehr, mal weniger tiefergehend – in die Sphären des täglichen Lebens hineinwirken und zu Phasen der Destabilisierung und Diskontinuitäten vermeintlich vertrauter Alltagsordnungen führen können.

Grafik mit diversen Stichworten zum Thema Krise Wortwolke zum Thema Krise im Kontext einzelner Projekte der ILR-Abteilung Alltagskultur und Sprache

Krisen sind kein punktuelles Ereignis, sondern zeichnen sich vielmehr durch eine Prozesshaftigkeit aus. Man weiß nicht genau, mit welchem Phänomen man es zu tun hat und welche Reaktionen nötig und möglich sind. Es sind Wendepunkte in einer sich zuspitzenden Entwicklung, und an diesen Wendepunkten ist der Ausgang der Krise noch offen beziehungsweise ambivalent; es ist sowohl eine Entwicklung zum Besseren oder zum Schlechteren möglich. Insofern drängen Krisen auch auf Entscheidungen, erzeugen Handlungsdruck, weil es gilt, den Niedergang aufzuhalten beziehungsweise eine Verbesserung anzustreben. Allerdings entziehen sich Krisen aufgrund ihrer Dynamiken oftmals einer unmittelbaren und klar vorgestanzten Steuerung: Man muss erst klären, wie mit ihnen umzugehen ist und kann auch nicht alle krisengenerierenden Faktoren beeinflussen. Krisen gehen mit starken Verunsicherungen einher, weil sie etablierte Routinen, Traditionen, Normen und gesellschaftliche Übereinkünfte in Frage stellen. Was vorher als selbstverständlich und als Alltagsgewissheit galt, wird plötzlich verstärkt diskutiert, funktioniert nicht mehr. Das bedeutet: Vormals vertraute Ordnungen werden instabil. Wenn jedoch alte Ordnungen nicht mehr greifen, müssen neue Ordnungspraktiken gefunden werden, die dabei helfen, mit krisenhaften Situationen umzugehen. Diese neuen Ordnungen sind das Ergebnis kultureller Aushandlungsprozesse – entweder des einzelnen oder der Gesellschaft. Dabei wird Bekanntes reflektiert, aber auch Neues entwickelt. Krisen existieren nicht aus sich heraus. Es handelt sich um Zuschreibungen, Wahrnehmungsphänomene und narrative Interpretationen der Wirklichkeit. Insofern dienen Krisen auch der Legitimation. Ist das Label „Krise“ erst einmal vergeben, lassen sich Entscheidungen auch forcieren. Die Rede von Krise kann mobilisieren, aber auch Unsicherheiten und Ängste verstärken.

In den hier vorgestellten Projekten haben wir krisenhafte Erfahrungshorizonte von sozialen Gruppen und Individuen reflektiert und vor allem mit Blick auf mentale, symbolische, narrative oder performative Bewältigungsstrategien analysiert.