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Eine Zone für die Jecken
Die tollen Tage im Rheinland finden einmal mehr unter Corona-Bedingungen statt. Aber im Vergleich zum letzten Jahr, als der Karneval praktisch komplett abgesagt wurde, wird es in diesem Jahr einen Schritt in Richtung jecke Normalität geben. „Brauchtumszonen“ heißt das Zauberwort, das dies möglich macht. Derzeit bleibt allerdings offen, inwieweit sich die Karnevalsfans auf die neuen Regelungen einlassen und ob angesichts der dramatischen Entwicklungen in der Ukraine, so manchen Jecken die Lust aufs Feiern vergeht.
Karneval geht es auch um ein Gemeinschaftserlebnis. Foto: Uwe Weiser / LVR
Hinter den "Brauchtumszonen" verbirgt sich ein Konzept, das die Landesregierung NRW im Rahmen ihrer angepassten Coronaschutzverordnung entwickelt hat und das dem veränderten Infektionsgeschehen - höhere Impfquote, weniger schwere Verläufe, sinkende Infektionszahlen - gerecht werden soll. Demnach können Kommunen an den Karnevalstagen sogenannte "gesicherte Brauchtumszonen" ausweisen. Das sind räumliche Bereiche, „in denen mit dem Zusammentreffen einer Vielzahl von Menschen zu rechnen ist, und in denen die Städte und Gemeinden durch strenge Auflagen und klare Regelungen das Schutzniveau erhöhen“ können.
Jeckes Treiben in "Brauchtumszonen"
Während sich das närrische Treiben 2021 weitgehend ins Digitale verlagerte, in Kleinstgruppen „zo Hus“ gefeiert wurde und so manche Kamelle an der Haustür auf Abstand überreicht wurde, treffen sich die die Jecken 2022 wieder analog und in größeren Runden. Damit bekommt der Karneval eines seiner zentralsten Elemente zurück. Seine identitäts- und gemeinschaftstiftende Wirkung entfaltet er durch das kollektive Erleben und Ausleben von Emotionen und durch die Gleichzeitigkeit vieler intensiver Sinneseindrücke: Das gemeinsame Feiern, Trinken, Tanzen, Singen und Schunkeln zum Beispiel. Als rauschhaftes Fest an einem klar definierten Brauchtermin bietet der Karneval einen temporären Ausstieg aus dem Alltag, der für viele Menschen nach den langwierigen Beschränkungen der Pandemie umso befreiender sein mag. Viele Jecken werden am 8. Februar daher erleichtert aufgeatmet haben, als die Landesregierung NRW die neuen Regelungen verkündete. Die „Brauchtumszonen“ wurden dann lokal unterschiedlich umgesetzt. Während Düsseldorf seine Altstadt als gesicherten Bereich für Jecken ausweist, zeigte sich die Stadt Köln großzügig und erklärt gleich mal das ganze Stadtgebiet zur Brauchtumszone. Ich gebe zu, ich hielt das anfangs für einen Scherz, der mit gängigen Klischees spielt. Regionalstereotype wie das stark ausgeprägte Selbstbewusstsein Kölns als Karnevalshochburg schienen mir ebenso Pate für diesen Witz gestanden zu haben, wie die omnipräsente Feierfreudigkeit ihrer Bewohner*innen, ihr Hang, Regeln locker auszulegen. Doch in der Tat sind ganz offiziell Brauchtumszone und Stadtgebiet deckungsgleich.
Fairerweise muss man betonen, dass das Etikett „Brauchtumszone“ eben nicht ein Freischein für unkontrolliertes Partywesen ist, sondern Schutzmaßnahmen innerhalb der Zonen besonders sicheres Feiern gewährleisten sollen. Da die Kölner*innen in ihrer Stadt vielerorts gerne feiern und die „Veedel“ ihre stadtteilspezifische Karnevalskultur zelebrieren, besteht eben überall Bedarf an diesen Maßnahmen. So wird sich das wohl auch die Stadtverwaltung gedacht haben. Zu den erwähnten Schutzmaßnahmen gehört zum Beispiel die 2G plus Regel in Kneipen, die einen tagesaktuellen Test auch für Geboosterte verlangt. Partys und Tanzveranstaltung sind allerdings verboten, wobei wiederum das Feiern in Kneipen nicht als Tanzveranstaltung gilt. Die Frage: „Ist es noch Schunkeln oder schon Tanzen?“ ist wahrscheinlich vorab von denjenigen, die für die Regeln verantwortlich sind, hinlänglich diskutiert worden.
Wie gestaltet sich dieser zweite Pandemie-Karneval konkret? Wie finden sich die Menschen mit diesen neuen Rahmenbedingungen zurecht? Und wie stehen sie dazu? Sind alle Jecken begeistert oder gibt es auch Skepsis? Das werden die Kulturanthropologinnen des ILR interessiert beobachten und einordnen.
Lesen Sie hier wie Karneval, Krise und Kreativität zusammenwirken.
Text: Gabriele Dafft