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25. November: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen
Die Farbe Orange: Symbolik, Protestrituale und eine Schattenpandemie
Der Posttower in Bonn am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Foto: Gabriele Dafft/LVR Das Landeshaus des LVR in Köln-Deutz beteiligt sich 2020 bereits zum zweiten Mal an der Kampagne "Orange the World". Foto: Ludolf Dahmen/LVR
Mit Einbruch der Dunkelheit werden am 25. November in verschiedenen Städten auf der ganzen Welt und natürlich auch im Rheinland wieder Gebäude und Wahrzeichen orange angestrahlt. Erleuchtet waren in vergangenen Jahren das EU-Parlament in Straßburg, die Pyramiden von Gizeh (Ägypten) und die Niagara-Fälle an der amerikanisch-kanadischen Grenze. Das Landeshaus des LVR in Köln-Deutz ist diese Jahr bereits zum zweiten Mal dabei und befindet sich also in bester Gesellschaft. Wem jetzt nicht sofort ein Licht aufgeht, was hinter der Aktion steht, der oder die sei daran erinnert, dass der 25. November der „Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen“ ist und gleichzeitig der Beginn der sogenannten „Orange Days“, mit denen Regierungsorganisationen, Initiativen, Vereine, Unternehmen und Privatperson weltweit die Beseitigung jeglicher Gewalt gegen Frauen fordern. Die Farbe, mit der diese Botschaft kommuniziert wird ist: Orange.
Bonner Rheinpanorama in orange mit Posttower und UN-Gebäude. Foto: Gabriele Dafft/LVR Gebäude der Deutschen Welle in Bonn. Foto: Gabriele Dafft/LVR
Aber der Reihe nach: Der 25. November wurde 1999 von den Vereinten Nationen (UN) als weltweiter Gedenktag initiiert, der ein öffentliches Bewusstsein dafür schaffen soll, dass Frauen im besonderem Maße von Gewalt betroffen sind. Statistiken besagen, dass jede dritte Frau in ihrem Leben einmal Opfer sogenannter gender-basierter Gewalt wird. Gemeint sind damit so unterschiedliche Phänomene wie Gewalt durch (Ex-)Partner, sexuelle Übergriffe oder Cyber-Mobbing. Der Tag will für dieses weltweite Problem und seine Folgen sensibilisieren und setzt ein gesamtgesellschaftliches Zeichen für die Beseitigung dieser Missstände. Insofern ist der 25. November eher Aktions- als Gedenktag. Oder vielmehr der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Aktionstagen: Den „16 days of activism against gender violence“. Diese wiederum wurden 1991 vom Women's Global Leadership Institute ins Leben gerufen. Im Jahr 2008 hat UN Women als Untereinheit der Vereinten Nationen die Idee aufgegriffen und startet alljährlich die Kampagne „Orange the World“. Das Ende des Aktionszeitraums ist mit dem 10. Dezember, dem „Tag der Menschrechte“, ebenfalls ein symbolisch hochgradig aufgeladenes Datum. Das ist natürlich kein Zufall, sondern unterstreicht die Beobachtung der UN, dass Frauen häufiger als Männer von Menschenrechten ausgeschlossen sind.
Mach die Welt orange!
Viele Organisationen hatten 2020 öffentliche "Orange the World"-Aktionen geplant. Dann kam der "Lockdown light". Die Masken kommen trotzdem zum Einsatz. Foto: Jutta Wolter/Soroptimist International Köln
Unter dem Slogan „Orange the World“ und gelegentlich runtergebrochen auf „Orange your City“ bündelt UN Women weltweite Aktivitäten zur Gewalt-Thematik und tritt als Partnerin von Menschenrechts- und Frauenorganisationen auf. Diese Akteur*innen starten vor Ort lokale und regionale Initiativen: Ob Kundgebung oder Kunstaktion, ob Aufklärungsarbeit an Schulen oder Spendenaufruf und Sternmarsch. Das Spektrum ist breit und reicht von kulturellen Angeboten bis hin zu Ritualen der traditionellen Protestkultur. Dabei tragen die Beteiligten – zumeist Frauen – häufig Kleidungsstücke oder Accessoires in orange: Schals, Regenschirme oder Warnwesten, in diesem Jahr werden auch vermehrt orangefarbige Masken zu sehen sein. Aufgrund der Corona-Pandemie und der Schutzmaßnahmen können viele Aktionen allerdings nicht wie geplant stattfinden. Möglicherweise kommen die Accessoires dann im individuellen Alltag als persönliches Statement zum Einsatz und sich solidarisch mit betroffenen Frauen zu zeigen. Die augenfälligste Aktion ist seit mehreren Jahren das Anstrahlen von Gebäuden und Wahrzeichen im öffentlichen und urbanen Raum mit orangefarbigen Licht. Diese Botschaften sind nicht nur weithin sichtbar, sondern bleiben auch angesichts der Corona-Maßnahmen gut durchführbar.
Eine Farbe wird zum weltweiten Symbol
Rettungshubschrauber: Orange ist gut sichtbar und daher bei Rettungsinitiativen verbreitet. Foto: Nawi112 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 Rettungswesten. Die Signalfarbe orange steht für Gefahr und Rettung zugleich. Foto: Ph. Saget - Travail perso, CC BY-SA 3.0
Nach Auskunft von UN Women New York ist „Orange“ die offizielle Kampagnenfarbe der UN, weil sie Frauen und Mädchen eine bessere oder leuchtende Zukunft („a brighter future“) versprechen soll, die sicher und frei von Gewalt ist. Die einheitliche Farbe soll all diejenigen verbinden, die sich gemeinsam und weltweit für dieses Ziel einsetzen. Bei der Wahl dieser Kampagnenfarbe dürften auch Überlegungen eine Rolle gespielt haben, welche Farbe interkulturell gut funktioniert und noch nicht durch andere Inhalte besetzt oder gar ideologisch aufgeladen ist.
Darüber hinaus ist Orange eine gängige Warn- und Signalfarbe, weil sie durch ihren Gelbanteil viel besser sichtbar ist als zum Beispiel Rot. Diese Eigenschaft macht sie auch zur bevorzugten Wahl von Rettungsorganisationen und dem Katastrophenschutz – man denke an die leuchtenden Rettungsboote oder –westen in der Seenotrettung. Der Farbe Orange haftet daher etwas Ambivalentes an, sie vermittelt gleichzeitig Gefahr und Hilfe. Auch das prädestiniert sie für „Orange the World“. Es geht hier schließlich nicht allein um Aufmerksamkeit für eine weltweite Bedrohungslage, sondern auch darum, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Problematik zu finden und den betroffenen Frauen Hoffnung zu vermitteln.
Symbolische Bedeutung und Funktion von Farben
Auch wenn Farben nach Meinung der Farbpsychologie bestimmte Wirkungen auf Körper und Psyche entfalten – Blau beruhigt und Rot regt an – die Kulturanthropologie interessiert sich für andere Aspekte der Farben. Sie geht der Frage nach, wie und warum Farben in kulturellen Zusammenhägen mit symbolischer Bedeutung aufgeladen werden und welche sozialen Funktionen das hat. Der Symbolgehalt von Farben ist also nicht naturgeben, sondern wird kulturell vermittelt und ist sozial erlernt. Um die Bedeutung einer Farbe dekodieren zu können, muss man also wissen, was dahinter steckt. Klingt erstmal einfach, kann aber kompliziert werden. Denn erschwerend kommt hinzu, dass die Bedeutung von Farben kontext- und situationsabhängig ist. Im Straßenverkehr lernen Kinder ziemlich früh, das Rot „Halt“ und „Gefahr“ bedeutet. In politischen Zusammenhang wird Rot aber zum Zeichen für Solidarität und Sozialismus. Noch komplizierter kann es werden, wenn man sich die Bedeutung von Farben im interkulturellen Vergleich ansieht. Im westlichen Kulturkreis ist Schwarz eine Trauerfarbe, in asiatischen Kulturen, in China zum Beispiel, übernimmt Weiß diese Funktion.
Doch auch Schwarz lässt ich in westlichen Kulturen nicht auf Trauer reduzieren, sondern steht gleichzeitig für Festlichkeit und Seriosität. Kaum einer käme wohl beim Anblick von Audrey Hepburn in der berühmten Filmszene aus „Frühstück bei Tiffany’s“ auf die Idee, die Protagonistin wäre auf dem Weg zu einer Beerdigung. Wenn Frau Hepburn in ihrem eleganten Cocktailkleid, dem „kleinen Schwarzen“ vor dem Juweliergeschäft steht, lassen vielmehr andere Zeichen und Symbole - der Kaffeebecher, ihre Sonnenbrille, das Diadem auf dem Kopf – auf den Morgen nach einer glamourösen Party und einer durchfeierten Nacht schließen. Wenn man mit diesen symbolischen Bedeutungen von Farben aufgewachsen ist, muss man nicht lange darüber nachdenken, um sie in den richtigen Kontext zu stellen und zu dekodieren. Sind Farben allerdings in fremde oder neue Rituale und Kontexte eingebunden, mag es etwas dauern, bis ihre Bedeutung in den gesamtgesellschaftlichen Wissensbestand einfließt. Eine plakative Aktion wie die Beleuchtung urbaner Gebäude anlässlich „Orange the World“, kann dazu beitragen, dass sich das Wissen schneller verbreitet. Ohnehin halten es Werbe- und Kommunikationsexperten für äußerst geschickt, eine komplexe Botschaft mit einem visuellen Reiz zu verbinden. Ein Bild lässt sich einfach schneller erschließen als ein langer Text. (Auch aus diesem Grund entschuldigt sich die Autorin dieser Zeilen dafür, dass es noch an Bildmaterial mangelt. Wir werden diese Seite noch aktualisieren).
Farbe bekennen - Gemeinschaft stiften - Werte vermitteln
Das Tragen einer gemeinsamen Farbe ist ein verbreitetes kulturelles Muster, um symbolisch Gemeinschaft herzustellen und Identität zu stiften: Nach innen erkennen sich Gruppenmitglieder untereinander und versichern sich so ihre Verbundenheit. Aber auch nach außen zeigen sie, dass sie für dieselben Werte eintreten und solidarisch sind. Im Alltagsbereich kennen wir das nur zu gut aus dem Sport. An den Vereinsfarben sind sowohl die Mannschaft zu erkennen als auch ihre Fans, die sich wiederum durch die Farben demonstrativ von den gegnerischen Anhängern abgrenzen. Auch bei Protestbewegungen tauchen immer wieder Farben auf, die eine Gruppenidentität und eine bestimmte Wertehaltung symbolisieren. Die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich ist ein jüngeres Beispiel, ein älteres ist die Regebogenfahne der Queer-Comunity, die Vielfalt und Toleranz vermitteln soll. Farben und Symbole sind prinzipiell dafür offen, mit neuen Bedeutungen aufgeladen zu werden. Auch das zeigt exemplarisch der Regenbogen. Mit Beginn der Corona-Pandemie und wahrscheinlich ausgehend von Italien wurde er zum Hoffnung spendendem Zeichen, das vor allem Kinder nutzen – oft mit dem Slogan „Andrà tutto bene“ (ital. „Alles wird gut“).
Eine Schattenpandemie
In diesem Jahr ist das Thema „Gewalt gegen Frauen“ bereits Monate vor den „Orange Days“ ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde während der sogenannten ersten Corona-Welle im Frühjahr von Seiten der zuständigen Behörden und Hilfsorganisationen diskutiert, inwieweit es durch Quarantäne und Lockdown zu einem Anstieg von Fällen häuslicher Gewalt kommt. Eine Situation, in der vor allem Frauen und Kinder die Opfer sind. Die Medien griffen das Thema auf, Beratungseinrichtungen und Frauenhäuser machten ihre Notrufnummern im öffentlichen Raum, an Ampelmasten und in Supermärkten publik. Endgültige Opferzahlen aus dieser Zeit liegen noch nicht vor. UN Women und andere Organisationen gehen aber von einem Anstieg aus und charakterisieren die ungute Allianz von Covid 19 und häuslicher Gewalt als „Schattenpandemie“. Eine Pandemie, die sich oftmals im Verborgen entfaltet und durch eine andere Krise zuspitzt. Die diesjährigen Aktionen während der Orange Days und die Berichterstattung dazu werden sicherlich auf diese Krise in der Krise eingehen.
Gabriele Dafft
Quellen (Links)
Hompage UN Women mit Informationen zur Kampnge "Orange the World"
In Deutschland werden lokale Aktionen und das Beleuchten von Gebäuden unter anderem durch Frauennetzwerke wie Zonta und Soroptimist International koordiniert.
Presseinformation des Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur häuslichen Gewalt