LVR-Institut für Landeskunde
und Regionalgeschichte
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Wissenstransfer in musealen Vorführbetrieben: Handwerkliche und industrielle Arbeitstechniken

Ein Tablet wird vor eine Spinnmaschine gehalten. Auf dem Tablet wird die Funktionsweise des Maschine erklärt. Spinnmaschine mit Tablet-Anwendung, © Wikimedia Commons | Antje Buchholz Eine schematische Darstellung einer Spinnmaschine, die grafisch mit einem Videoclip verbunden ist. Im Videoclip werden die Handgriffe zum Einfädeln des Garns beschrieben. Auszug aus einem mobilen Vorführendenhandbuch, © Wikimedia Commons | YouTube-Standbild Norbert Liedtke/LVR-Industriemuseum | Antje Buchholz Ein Smartphone, auf dem der Prototyp der geplanten App zu sehen ist. Die App zeigt die Backhandwerk-Filmreihe des LVR-Freilichtmuseums Lindlar. © Wikimedia Commons | Solomia Kratsylo/LVR-FLM Lindlar | Antje Buchholz

Das Projekt „Wissenstransfer in musealen Vorführbetrieben“ widmet sich über die Dauer von zwei Jahren der Problematik des Wissensverlusts im Kontext historischer Arbeitstechniken, die in der Handwerks- und Industriegeschichte Nordrhein-Westfalens bis heute eine Rolle spielen. Im Projekt sollen museumsübergreifende Strategien des Wissenstransfers entwickelt werden.

In Kooperation mit vier Standorten des LVR – den Freilichtmuseen in Kommern und Lindlar, der Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen und der Tuchfabrik Müller in Euskirchen – sowie dem LWL-Freilichtmuseum in Hagen als weiterem Partner bearbeitet das Projektteam des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte dabei das zugrundeliegende Qualifizierungsproblem in Vorführbetrieben: Ausgelöst durch den demografischen Wandel sowie die Umstrukturierung von Ausbildungsberufen und Tätigkeitsfeldern im Museum scheiden die letzten Personen mit fundiertem Handlungs- und Erfahrungswissen in den Bereichen Handwerk sowie industriellem Maschinenbetrieb zunehmend aus.

Um dieses Wissen zu dokumentieren und für diverse Vermittlungszusammenhänge zu erschließen, sollen im Rahmen des Projekts audiovisuelle und digitale Formate entwickelt werden, die sich – je nach Bedarf der einzelnen Einrichtungen – in zwei Dimensionen unterteilen:

(a) Der interne Wissenstransfer: Hier steht zum einen die Anlernung neuer Mitarbeiter:innen im Vordergrund, die die betreffende Arbeitstechnik im Rahmen von Dauerausstellungen und Living-History-Programmen im Museum präsentieren. Da die entsprechende Ausbildung bzw. Zusatzqualifikation oftmals fehlt, wird der Einsatz digitaler Hilfsmittel, etwa einer interaktiven Tablet-Anwendung („Mobiles Vorführendenhandbuch“), bei der Einarbeitung durch erfahrene Vorführer:innen erprobt. Letztere wirken bei der Konzeptionierung des Tools mit, sodass eine didaktische und methodische Qualitätskontrolle bei der Darstellung der einzelnen Arbeitsschritte gewährleistet ist.

Zum anderen erhält das wissenschaftliche, kuratorische und Verwaltungspersonal Unterstützung in den zentralen Aufgabenbereichen Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln: durch die digitalisierte Dokumentation (z.B. in Form von Kurzfilmen/Clips) kann die Inventarisierung und Langzeitsicherung von Arbeitsprozessen und Nutzungszusammenhängen der Objekte sichergestellt werden.

(b) Der externe Wissenstransfer: Hier sind Museumsbesucher:innen sowie die breitere Öffentlichkeit Zielgruppe der zu entwickelnden Formate. Letztere werden entweder gezielt für ihre Einbindung in den Vorführkontext bzw. Ausstellungsrundgang konzipiert (z.B. in Form von Medienstationen, Hands-On-Stationen oder „Bring Your Own Device“-Apps) oder aber zusätzlich für ihre Online-Veröffentlichung (z.B. auf der jeweiligen Museumswebsite bzw. den Portalen und YouTube-Kanälen der beteiligten Institutionen) aufbereitet. Angestrebt wird ein über die interne Ausrichtung hinausgehender öffentlicher Zugang zu den entsprechenden Wissensbeständen.

Ein Mann im LVR-Freilichtmuseum Lindlar steht vor zahlreichen Laiben Brot, die er für den Backvorgang vorbereitet. Die Laibe liegen auf zwei Brettern. Ein Mann im LVR-Freilichtmuseum Lindlar steht vor zahlreichen Laiben Brot, die er für den Backvorgang vorbereitet. Die Laibe liegen auf zwei Brettern. Foto: Solomia Kratsylo/LVR-FLM Lindlar Ein Vorführender im LVR-Industriemuseum „Tuchfabrik Müller“ in Euskirchen bedient die Maschine „Selfaktor“ vor Besucher:innen. Ein Vorführender im LVR-Industriemuseum „Tuchfabrik Müller“ in Euskirchen bedient die Maschine „Selfaktor“ vor Besucher:innen. Foto: S. Arendt & N. Schäfer/LVR-Medienzentrum

Ein Vorführender steht vor einer Besucher:innengruppe in dem LVR-Industriemuseum „Gesenkschmiede Hendrichs“ in Solingen. Ein Vorführender steht vor einer Besucher:innengruppe in dem LVR-Industriemuseum „Gesenkschmiede Hendrichs“ in Solingen. Foto: LVR-Industriemuseum Eine Korbflechter:in im LVR-Freilichtmuseum Kommern fertigt einen Korb an. Eine Korbflechter:in im LVR-Freilichtmuseum Kommern fertigt einen Korb an. Foto: Hans-Theo Gerhards/LVR

Im Mittelpunkt stehen dabei stets die Menschen hinter den Tätigkeiten, die nicht nur über eine spezifische Expertise in ihrem Gebiet verfügen, sondern immer auch über einen subjektiven Zugang zu ihrer Arbeit, die sie bereits in ihre Rolle als Vorführer:innen im Museum miteinfließen lassen. Ihre persönlichen Perspektiven, Erfahrungen und Motivationen stellen somit den zentralen Bezugspunkt der Auseinandersetzung dar.

Das Projekt berücksichtigt dabei, dass Arbeitstechniken wie die Korbflechterei, die Feilenherstellung oder die Bedienung von sog. Selfaktoren (eines bestimmten Typus von Spinnmaschinen) in verschiedene Wertschöpfungsketten eingebettet waren und sind, die von der Rohstoffgewinnung und Produktion bis hin zur Verwendung der Erzeugnisse als Konsumgüter und Museumsobjekte reichen. Sie haben dabei einen Bedeutungswandel erfahren, der eng mit ihrem alltagskulturellen und wirtschaftlichen Stellenwert in der Gesellschaft zusammenhängt, und können daher als Teil des immateriellen Kulturerbes der Region verstanden werden. Die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie stellt daher auch Fragen nach aktuellen lebensweltlichen Bezügen und der heutigen Relevanz eines strukturierten Wissenstransfers.

Diese thematisiert die interdisziplinäre Projektgruppe nicht zuletzt in Workshops, Tagungen und Publikationen und zielt damit auf einen wissenschaftlichen Austausch mit anderen Museen und landeskundlichen Institutionen in NRW und deutschlandweit. Den vorläufigen Abschluss des Projekts bildet die Erstellung eines Drittmittelantrags zur weiteren Bearbeitung der Strategien.