LVR-Institut für Landeskunde
und Regionalgeschichte
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Digitizing Living Heritage

Bewahren, dokumentieren, teilen (2024-2027)

Ein Kooperationsprojekt der LWL-Museen für Industriekultur und des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte

Ein Mann im LVR-Freilichtmuseum Lindlar steht vor zahlreichen Laiben Brot, die er für den Backvorgang vorbereitet. Die Laibe liegen auf zwei Brettern Bäckerhandwerk im LVR-Freilichtmuseum Lindlar. (Foto: Solomia Kratsylo/LVR) Ein Vorführender im LVR-Industriemuseum Tuchfabrik Müller in Euskirchen bedient die Maschine Selfaktor vor Besucher*innen. Vorführbetrieb im LVR-Industriemuseum Tuchfabrik Müller in Euskirchen. (Foto: S. Arendt & N. Schäfer/LVR)

Ob es um Ziegelherstellung, das Weben von Textilien an historischen Webstühlen oder die Tätigkeiten eines Gießers geht: zahlreiche Vorführbetriebe in Museen und bewegten technischen Denkmälern halten die Erinnerung an vergangene Arbeitswelten in Nordrhein-Westfalen lebendig. Diese Vorführungen sind von großer Bedeutung, um historische Produktions- und Arbeitsweisen zu vermitteln und sie zählen zu den beeindruckendsten Höhepunkten für die Besuchenden. Hier zeigen Menschen traditionelle Handwerks- und Industrietechniken aus der Region, die sie teilweise aus ihrem vorherigen Berufsleben kennen. Einige sind in den Kultureinrichtungen beschäftigt, andere engagieren sich ehrenamtlich in den Vorführbetrieben.
Allerdings stehen viele dieser Personen in den kommenden Jahren vor dem Ruhestand, was dazu führen kann, dass das wertvolle Wissen über diese alten Techniken verloren geht. Dies stellt eine große Herausforderung für die Kultureinrichtungen dar. Die Arbeitswelt hat sich so rasch gewandelt, dass es immer weniger Wissensträger:innen gibt, die sich mit diesen alten Techniken auskennen, und es gestaltet sich zunehmend schwierig, eine Nachfolge für die Vorführenden zu finden.
Der Wissenstransfer in diesem Bereich ist zudem besonders herausfordernd, da es sich um implizites Handlungs- und Erfahrungswissen von einzelnen intuitiven Handgriffen handelt, das durch persönliche Weitergabe und praktisches Ausprobieren erlernt wird. Dadurch besteht vielerorts die Gefahr, dass der Betrieb nicht aufrechterhalten werden kann und langfristig dieses immaterielle Kulturerbe verschwindet. Das Kooperationsprojekt möchte Lösungen für diese Problematik entwickeln.

Veranstaltungen

Durch eine Filmkamera ist eine Referentin vor einer Leinwand zu sehen. Kick-Off-Workshop zum Netzwerk Historische Arbeitstechniken im Juni 2024.

Rückblick: Kick-Off Workshop am 24. und 25. Juni 2024

Unser Kick-Off Workshop im LWL-Museum Schiffshebewerk Henrichenburg liegt nun hinter uns und war ein gelungener Auftakt. Im Mittelpunkt der beiden Workshoptage am standen die Entwicklung und das Erlernen digitaler Methoden zur Erhaltung und Weitergabe traditioneller Arbeitstechniken des Handwerks und der Industrie sowie die Gründung des 'Netzwerk Historische Arbeitstechniken'. Die rasanten Veränderungen in der Arbeitswelt haben dazu geführt, dass das Wissen um traditionelle Handwerks- und industrielle Produktionstechniken zunehmend schwindet. Viele Kultureinrichtungen stehen vor der Herausforderung, langfristig fachkundige Wissensträger:innen zu finden, die dieses Wissen in Vorführbetrieben lebendig halten und weitergeben können.
Genau dies ist unser Anliegen.

Der Workshop brachte Menschen aus unterschiedlichen Bereichen und Branchen zusammen. Mitarbeitende verschiedener Museumsbetriebe, Kulturverbände und Universitäten, Vorführende und andere ehrenamtlich engagierte Personen, die sich für den Erhalt historischer Arbeitsweisen einsetzen. Das Zusammentreffen der diversen Fachgebiete ermöglichte es, konkrete Bedarfe der einzelnen Arbeits- und Interessenfelder zu benennen. Es ging darum, herauszufinden, welche Methoden angewendet werden können, um das Wissen sowie Techniken zu sichern. Besonders wurde der Frage nachgegangen, ob Film ein geeignetes Medium ist. Die Idee von digitalen Manualen bieten Lösungen, um neues Personal in die historischen Arbeitsschritte einzuarbeiten und so dieses kulturelle Erbe zu bewahren. Die Teilnehmenden tauchten selbst in die Praxis ein und konnten ein erstes Gespür dafür entwickeln, was es bedeutet, einen Film zu erstellen. Dabei wurde deutlich, wie komplex die Aufgabe ist, Handwerk und Wissen audiovisuell aufzubereiten und einen Film zu erstellen, durch den Techniken weitergegeben werden können. Gleichzeitig hatten alle Teilnehmenden ein großes Erfolgserlebnis, als sie feststellten, dass sie bereits nach zwei Tagen mit einem Tablet und einer kostenlosen App eigenständig tolle Dokumentationsfilme produzieren konnten. Die zwei Tage waren angefüllt mit Ideen und ersten Einblicken, aber auch mit viel Networking und Gesprächen.

Online-Workshops am 28. Oktober und 25. November 2024

Dieses Jahr sind zwei anknüpfende Online-Workshops geplant:

Workshop 2: 28.10.2024
Workshop 3: 25.11.2024

jeweils 13:45 - 17:30 Uhr
Zum Programm. (PDF-Datei, 308 KB)

Auch für Quereinsteigende und neu Interessierte ist die Teilnahme möglich. Zur Anmeldung über das Online-Formular auf der Website der LWL-Museen für Industriekultur.

Die Veranstaltungen werden gefördert durch den NFDI4Memory Incubator Funds 2024.

Das Projekt knüpft an das Projekt "Wissenstransfer in musealen Vorführbetrieben" an:

Projekt: Wissenstransfer in musealen Vorführbetrieben: Handwerkliche und industrielle Arbeitstechniken (2020-2023)

Das Projekt „Wissenstransfer in musealen Vorführbetrieben“ widmete sich der Problematik des Wissensverlusts im Kontext historischer Arbeitstechniken, die in der Handwerks- und Industriegeschichte Nordrhein-Westfalens bis heute eine Rolle spielen. Im Projekt sollten museumsübergreifende Strategien des Wissenstransfers entwickelt werden.

In Kooperation mit vier Standorten des LVR – den Freilichtmuseen in Kommern und Lindlar, der Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen und der Tuchfabrik Müller in Euskirchen – sowie dem LWL-Freilichtmuseum in Hagen als weiterem Partner bearbeitete das Projektteam des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte dabei das zugrundeliegende Qualifizierungsproblem in Vorführbetrieben: Ausgelöst durch den demografischen Wandel sowie die Umstrukturierung von Ausbildungsberufen und Tätigkeitsfeldern im Museum scheiden die letzten Personen mit fundiertem Handlungs- und Erfahrungswissen in den Bereichen Handwerk sowie industriellem Maschinenbetrieb zunehmend aus.

Um dieses Wissen zu dokumentieren und für diverse Vermittlungszusammenhänge zu erschließen, sollten im Rahmen des Projekts audiovisuelle und digitale Formate entwickelt werden, die sich – je nach Bedarf der einzelnen Einrichtungen – in zwei Dimensionen unterteilen:

(a) Der interne Wissenstransfer: Hier steht zum einen die Anlernung neuer Mitarbeiter:innen im Vordergrund, die die betreffende Arbeitstechnik im Rahmen von Dauerausstellungen und Living-History-Programmen im Museum präsentieren. Da die entsprechende Ausbildung bzw. Zusatzqualifikation oftmals fehlt, wird der Einsatz digitaler Hilfsmittel, etwa einer interaktiven Tablet-Anwendung („Mobiles Vorführendenhandbuch“), bei der Einarbeitung durch erfahrene Vorführer*innen erprobt. Letztere wirken bei der Konzeptionierung des Tools mit, sodass eine didaktische und methodische Qualitätskontrolle bei der Darstellung der einzelnen Arbeitsschritte gewährleistet ist.

Zum anderen erhält das wissenschaftliche, kuratorische und Verwaltungspersonal Unterstützung in den zentralen Aufgabenbereichen Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln: durch die digitalisierte Dokumentation (z.B. in Form von Kurzfilmen/Clips) kann die Inventarisierung und Langzeitsicherung von Arbeitsprozessen und Nutzungszusammenhängen der Objekte sichergestellt werden.

Ein Tablet wird vor eine Spinnmaschine gehalten. Auf dem Tablet wird die Funktionsweise des Maschine erklärt. Spinnmaschine mit Tablet-Anwendung. (Foto: Wikimedia Commons | Antje Buchholz) Eine schematische Darstellung einer Spinnmaschine, die grafisch mit einem Videoclip verbunden ist. Im Videoclip werden die Handgriffe zum Einfädeln des Garns beschrieben. Auszug aus einem mobilen Vorführendehandbuch. (Grafik: Wikimedia Commons. YouTube-Standbild: Norbert Liedtke/LVR) Prototyp der geplanten App: Backhandwerk-Filmreihe des LVR-Freilichtmuseums Lindlar. (Fotos: Wikimedia Commons. Solomia Kratsylo/LVR)

(b) Der externe Wissenstransfer: Hier sind Museumsbesucher*innen sowie die breitere Öffentlichkeit Zielgruppe der zu entwickelnden Formate. Letztere werden entweder gezielt für ihre Einbindung in den Vorführkontext bzw. Ausstellungsrundgang konzipiert (z.B. in Form von Medienstationen, Hands-On-Stationen oder „Bring Your Own Device“-Apps) oder aber zusätzlich für ihre Online-Veröffentlichung (z.B. auf der jeweiligen Museumswebsite bzw. den Portalen und YouTube-Kanälen der beteiligten Institutionen) aufbereitet. Angestrebt wird ein über die interne Ausrichtung hinausgehender öffentlicher Zugang zu den entsprechenden Wissensbeständen.

Ein Vorführender steht vor einer Besucher*innengruppe im LVR-Industriemuseum Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen. Im LVR-Industriemuseum Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen. (Foto: LVR-Industriemuseum) Eine Korbflechterin im LVR-Freilichtmuseum Kommern fertigt einen Korb an. Korbflechten im LVR-Freilichtmuseum Kommern. (Foto: Hans-Theo Gerhards/LVR)

Im Mittelpunkt stehen dabei stets die Menschen hinter den Tätigkeiten, die nicht nur über eine spezifische Expertise in ihrem Gebiet verfügen, sondern immer auch über einen subjektiven Zugang zu ihrer Arbeit, die sie bereits in ihre Rolle als Vorführer:innen im Museum miteinfließen lassen. Ihre persönlichen Perspektiven, Erfahrungen und Motivationen stellen somit den zentralen Bezugspunkt der Auseinandersetzung dar.

Das Projekt berücksichtigte dabei, dass Arbeitstechniken wie die Korbflechterei, die Feilenherstellung oder die Bedienung von sog. Selfaktoren (eines bestimmten Typus von Spinnmaschinen) in verschiedene Wertschöpfungsketten eingebettet waren und sind, die von der Rohstoffgewinnung und Produktion bis hin zur Verwendung der Erzeugnisse als Konsumgüter und Museumsobjekte reichen. Sie haben dabei einen Bedeutungswandel erfahren, der eng mit ihrem alltagskulturellen und wirtschaftlichen Stellenwert in der Gesellschaft zusammenhängt, und können daher als Teil des immateriellen Kulturerbes der Region verstanden werden. Die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie stellt daher auch Fragen nach aktuellen lebensweltlichen Bezügen und der heutigen Relevanz eines strukturierten Wissenstransfers.

Diese thematisierte die interdisziplinäre Projektgruppe in Workshops, Tagungen und Publikationen und zielte damit auf einen wissenschaftlichen Austausch mit anderen Museen und landeskundlichen Institutionen in NRW und deutschlandweit.

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