LVR-Institut für Landeskunde
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Alaaf und Helau – zwei konkurrierende Karnevalsrufe aus dem Rheinland

Sie schallen während der närrischen Tage laut durch Straßen, Festzelte und Kneipen – die Karnevalsrufe Alaaf und Helau gehören zur fünften Jahreszeit wie Kamelle, Kostüm und Kölsch (oder Alt). Erstaunlich, dass über ihre genaue Herkunft und Verbreitung in der rheinischen Landeskunde bisher wenig bekannt ist.

Sprachkarte: Verbreitung von Alaaf und Helau

Die Karte zeigt die ungefähre Verbreitung der beiden Rufe. Helau (hier dargestellt durch blaue Punkte) ist am Niederrhein, im Ruhrgebiet und natürlich in Düsseldorf zu hören, südlich der Landeshauptstadt schließt sich dann das Alaaf-Gebiet an (rote Punkte). Hierbei handelt es sich um einen kompakten, geschlossenen Raum vom Bergischen Land südlich der Wupper über die Karnevalshochburg Köln am Rhein bis in den Selfkant und in den Raum Aachen im Westen. Im Süden reicht das Gebiet bis zur Nord- und Ahreifel einschließlich des Rheintals bis an das Neuwieder Becken. Etwa auf der Höhe von Koblenz beginnt dann ein weiteres Helau-Areal, das sich bis weit in den Süden Deutschlands erstreckt. Die Schraffuren auf der Karte deuten an, dass die Grenzen zwischen den Gebieten nicht scharf sind, es gibt Übergangsgebiete, in denen in nebeneinanderliegenden Orten verschiedene Rufe zu hören sind oder in einem Ort sogar beide Varianten vorkommen (lila Punkte). Innerhalb der Räume kommen Orte mit Doppelnennungen nur sehr selten vor.

So modern die präsentierte Karte auch aussieht, der Eindruck täuscht: Sie ist die Nachzeichnung einer Karte aus den 1990er Jahren, welche wiederum auf Daten aus den 1970er Jahren beruhte (vgl. Hoffmann 1995, S.65). Damals wurden von der damaligen "Landesstelle für Rheinische Volkskunde" in Bonn 2000 Fragebögen verschickt (800 kamen ausgefüllt zurück), auf denen u.a. gefragt wurde "Welche Fastnachtsrufe, Beifallsrufe, Begrüßungsrufe (z.B. >Helau<, >Kölle Alaaf<) sind in ihrem [sic!] Ort üblich, bei welcher Gelegenheit?/früher…/heute…" (vgl. Hoffmann 1995, S. 64). Ob und wenn ja welche Veränderungen sich seitdem ergeben haben, gilt es noch zu untersuchen. Sie haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten einen neuen Ruf in Ihrem Ort gehört? Dann schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an sprachteam@lvr.de.

Die größte Auffälligkeit auf der Karte ist sicherlich das von Helau umschlossene Alaaf-Gebiet. Wie diese Teilung zustande gekommen ist, ist leider nicht zu beantworten, zu wenig ist über das tatsächliche Alter der Rufe bekannt. Bemerkenswert ist aber sicherlich, dass das Alaaf-Areal in seiner räumlichen Ausdehnung dem ripuarischen Dialektgebiet sehr ähnlich ist.

Der älteste Beleg für Alaaf (allerdings noch nicht für den Karnevalsruf, sondern seinen Vorläufer, eine feste Wendung) stammt aus dem 17. Jahrhundert. In einem Brief, den der kurkölnische Landhofmeister Johann Adolf Freiherr Wolff genannt Metternich zur Gracht am 1. Oktober 1635 an seinen Vorgesetzten, den Obersthofmeister und Bischof von Osnabrück, Franz Wilhelm von Wartenberg schrieb, steht: Ich hoffe E. F. Gn(aden) werden ein mahl wider herunder in dat Al aff colnisch Land dencken unangesehn wir hir nit so gudte wiße hirsche haben alß droben wo eß die steinhirsch gibt (sinngemäß fordert Metternich zur Gracht Wartenberg, der sehr lange auf Gesandtschaftsreise ist, auf, mal wieder an Köln zudenken [d.h. dorthin zurück zu kommen], auch wenn die Jagdgründe dort nicht so gut sind). Von Karneval ist hier nicht die Rede und dies ist typisch für die frühen Belege: Al aff (auch geschrieben Allaff, alaff, allaf), wörtlich 'all(es) ab', kann hier mit 'vor allem anderen' oder 'über alles hinaus' übersetzt werden. Es ist als Hochruf, als feste Wendung zu verstehen, mit der das angeschlossene, in der Regel die Stadt Köln, gelobt wird: Al aff colnisch Land (1635), Allaff Collen (1733) oder Allaf Cöllen (1748), 'Köln über alles!' (Hoffmann 1995, S. 62f.). Aber auch anderes kann auf diese Weise gelobt werden, so steht in der Quelle von 1733 neben Allaff Collen auch Allaff Jungferschafft (etwa zu übersetzten mit 'ein Hoch auf alle netten Mädchen', vgl. Hilgers 2008, S. 67). Wie lang vor 1635 die Wendung schon in Gebrauch war, ist aufgrund der vorliegenden Quellen leider nicht zu rekonstruieren. Ebenso wenig, wie und wann genau der allgemeine Hochruf zum Karnevalsruf umfunktioniert wurde. Als sicher kann aufgrund der alten Belege sowie der heutigen Verbreitung aber die Stadt Köln und ihr Umland als Entstehungsgebiet gelten.

Heute kann im Karneval alles Mögliche mit Alaaf hochleben gelassen werden: Vereine, Orte, Einzelpersonen… (zur veränderten Betonung zwischen ehemaliger fester Wendung und Karnevalsruf vgl. Hoffmann 1995, S. 62). Außerhalb der Domäne Karneval ist der Ruf indes in der heutigen Alltagssprache nicht mehr üblich.

Die Rekonstruktion der Herkunft und ursprünglichen Bedeutung von Helau fällt deutlich schwerer, hier ist die Forschungslage sehr dürftig. Der erste Beleg stammt wohl aus dem Jahr 1603 aus Tirol. Für den etymologischen Ursprung gibt es lediglich einige Erklärungsansätze, die jedoch entweder unwahrscheinlich sind oder einer wissenschaftlichen Überprüfung harren. Ein möglicher Ursprung des Wortes liegt im kirchlichen Halleluja, andere Quellen nehmen eine Verwandtschaft zu den Wörtern hellblau, hellauf oder auch hello/Hallo an. Ob eine dieser Herleitungen zutrifft, kann leider aktuell nicht beantwortet werden.

Was auch immer Sie rufen, Alaaf oder Helau: Lassen Sie es doch auch in diesem Jahr während der Karnevalstage mal erklingen, vielleicht aus Ihrem heimischen Fenster – als rheinisch-karnevalistische Variante des "Corona-Singens"!

Charlotte Rein

Literatur

Heribert A. Hilgers: Alaaf. Zur Geschichte eines kölnischen Hochrufs. In: wir im rheinland. Magazin für Sprache und Alltagskultur. 26. Jahrgang, 1-2/2008, S. 66—71.

Walter Hoffmann: "Alaaf" und "Helau". Altes und Neues zu den rheinischen Karnevalsrufen. In: Volkskultur an Rhein und Maas, 14. Jahrgang, 1/1995, S. 61—67.