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Stille Nacht, heilige Nacht – ein Weihnachtsklassiker, der verbindet

In der Weihnachtszeit ist es beinahe überall zu hören. Es gehört zu den Standardrepertoires von Sängerinnen und Sängern, Chören, Orchestern und Musikkapellen. Die Radiostationen weltweit nehmen es in ihre Playlists auf. In Umfragen zu den beliebtesten Weihnachtsliedern liegt es auf den ersten Plätzen. Und am Heiligen Abend erklingt es in Kirchen und privaten Haushalten. – Gemeint ist das Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“.

Schon beim Lesen des Titels ist die Melodie im Ohr und Bilder von Weihnachten im Kopf. Es scheint, als ginge eine besondere Aura von dem Lied aus. Was aber macht es so besonders, dass es zu den bekanntesten und beliebtesten Weihnachtsliedern weltweit gehört?

Eine Frau spielt an einem Klavier ein Musikstück. Vor ihr stehen die Noten aufgeschlagen. Im Hintergrund ist ein geschmückter Weihnachtsbaum zu sehen. Eine Frau spielt ein Weihnachtslied auf dem Klavier. Im Hintergrund ist ein geschmückter Weihnachtsbaum zu sehen. Foto: Archiv des Alltags im Rheinland/20200615-143/LVR Pappteller mit Wellenrand und weihnachtlichem Bildmotiv: Sechs Kinder tanzen um einen geschmückten Tannenbaum und singen. Über dem Bild steht in deutscher Schrift der Titel des Weihnachtsliedes: "Stille Nacht – Heilige Nacht". Weihnachtlicher Pappteller mit der Darstellung von Kindern, die um einen Weihnachtsbaum tanzen und dabei „Stille Nacht, Heilige Nacht“ singen. Foto: Hans-Theo Gerhards/2013-225.1/LVR-Freilichtmuseum Kommern.

Das Lied geht auf ein 1816 verfasstes Gedicht des Hilfspriesters Joseph Mohr zurück, der den Komponisten Franz Xaver Gruber noch am Morgen des 24. Dezember 1818 bat, eine Melodie dafür zu komponieren – denn die Orgel war kaputt, und so ganz ohne Musik wollte Mohr keinen Weihnachtsgottesdienst halten. Gruber komponierte schnell, und am Abend, passend zur Christmette, wurde „Stille Nacht, heilige Nacht“ in der Kirche St. Nikola in Oberndorf bei Salzburg uraufgeführt.

Seitdem wurde es in 320 Sprachen und Dialekten übersetzt und ist weltweit bekannt. Die UNESCO hat „Stille Nacht, heilige Nacht!“ 2011 in die Liste immaterielles Kulturerbe in Österreich aufgenommen.

Nicht von ungefähr sind dem Lied inzwischen über zehn Erinnerungsorte gewidmet worden, so zum Beispiel mit dem „Stille Nacht Museum“ in Hallein bei Salzburg, das neben Leben und Wirken des Komponisten Gruber die Entstehungs- und Verbreitungsgeschichte des Liedes in den Mittelpunkt stellt. Beliebt und nahezu ikonisch ist auch die „Stille Nacht Kapelle“ in Oberndorf. Sie wurde 1938 an der Stelle errichtet, wo früher die St. Nikola Kirche stand, in der das Werk uraufgeführt wurde.

Die rasche Verbreitung verdankt das Werk unter anderem der Begebenheit, dass Joseph Mohr und Franz Xaver Gruber mit dem Orgelbauer Karl Mauracher aus dem Zillertal bekannt waren, der auf das Lied bei Orgelreparaturen im salzburgischen Oberndorf aufmerksam wurde und es im heimischen Zillertal bekannt machte.

Dort hörten es die Geschwister Strasser, die als fahrende Familie in den 1830er Jahren viel unterwegs waren und an ihren Ständen Handschuhe verkauften. Durch das Singen ‚volkstümlicher Lieder‘ machten die Geschwister erfolgreich auf ihren Stand aufmerksam. Zu ihrem Repertoire gehörte eben auch „Stille Nacht, heilige Nacht“, das sie 1831 auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt preisgaben und für viel Aufmerksamkeit sorgten. Sie wurden vom Organisten und Kantor der Leipziger Diaspora-Gemeinde gebeten, es in der Christmette vorzutragen, und sogar im Leipziger Gewandhaus traten die Geschwister Strasser mit dem Lied auf.

Die enorme Rezeption hielt auch im 20. Jahrhundert an. Es wurde nicht nur privat zu Hause und bei öffentlichen Aufführungen gesungen, sondern auch dort, wo der Wunsch nach Frieden am größten ist: in Kriegsgebieten. Überliefert ist das gemeinsame Singen des Liedes von britischen und deutschen Soldaten während des sogenannten Weihnachtsfriedens von 1914 in Flandern. Das Lied ist hier als Ausdruck eines gemeinsamen Verständnisses vom Weihnachtsfest als Fest der Nächstenliebe und des friedvollen Miteinanders zu verstehen. Und spätestens mit der englischen Version „Silent Night“ machte Bing Crosby in seiner Weihnachts-Radiosendung das Lied weltberühmt – die Single wurde über 30 Millionen Mal verkauft.

Vielleicht ist es die getragene, ruhige Melodie in Kombination mit dem würdevollen Text, die dazu führt, das „Stille Nacht, heilige Nacht“ eine besondere Atmosphäre entstehen lässt – und in dieser Atmosphäre am Heiligen Abend gesungen den Beginn von Weihnachten markiert. Der Text vermittelt ein friedvolles Bild von familiärer Verbundenheit, die aus der kleinen „Heiligen Familie“ heraus auf alle Menschen übergeht. Der Blick von der Kern- auf die Menschenfamilie, vereint im Glauben an Jesus Christus als „Retter“ in Not und Krisenzeiten, stiftet Hoffnung auf Frieden und Ruhe. – Diese hoffnungsvolle Sehnsucht vereint Sängerinnen und Sänger weltweit und stiftet beim gemeinsamen Gesang ein vertrautes Miteinander, einmal mehr zu Umbruchszeiten, wie wir sie in den letzten Jahren in besonderem Maße erleben.

Literatur und Links

Schober, Michael (2018): Frieden im Niemandsland – Die Waffenruhen um Weihnachten 1914 an der Westfront. oai:hildok.bsz-bw.de:827, Online unter https://core.ac.uk/download/pdf/160602243.pdf

Weber-Kellermann, Ingeborg: Das Buch der Weihnachtslieder. Mainz 2003.

NDR: Die Geschichte des Liedes "Stille Nacht". Online unter https://www.ndr.de/nachrichten/info/sendungen/zwischen_hamburg_und_haiti/stillenacht122_backId-sendung1103270.html#content.

Wikipedia: Stille Nacht, Heilige Nacht, Online unter https://de.wikipedia.org/wiki/Stille_Nacht,_heilige_Nacht.

Wikipedia: Geschwister Strasser, Online unter https://de.wikipedia.org/wiki/Geschwister_Strasser.

Wikipedia: Weihnachtsfrieden (Erster Weltkrieg), Online unter https://de.wikipedia.org/wiki/Weihnachtsfrieden_(Erster_Weltkrieg).

Übersicht aktueller Forschungen, Stille Nacht Gesellschaft: Online unter https://www.stillenacht.at/aktuelle-forschung.

Thomas Leßmann/Dr. Lisa Maubach