LVR-Institut für Landeskunde
und Regionalgeschichte
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Vom Öffentlichen ins Private. Der Wandel der Bescherung.

Das Weihnachtsfest hat nicht immer im Privaten stattgefunden, sondern ist historisch gewachsen und mit den Reformationsbestrebungen sowie der Verbürgerlichung der Gesellschaft einhergegangen. So hat sich Weihnachten zu einem familiären und intimen Fest entwickelt. Wurde Weihnachten lange Zeit eher in Kirchen und im öffentlichen Raum gefeiert, so wandelte sich dies nach dem Wiener Kongress 1814/15, mit dem Aufkommen des Biedermeier. Mit dem politischen Verdruss des Bürgertums über die Beschlüsse des Wiener Kongresses, welche das Mitspracherecht der Bevölkerung einschränkten und eine Rückkehr zur „alten Ordnung“ bedeuteten, zog sich das Bürgertum - samt Bescherung - zunehmend in die eigenen vier Wänden zurück. Das Bürgertum richtete sich heimisch ein und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück.

Ein Junge spielt mit einer Spielzeugküche und lacht in die Kamera. Um ihn herum sind Küchenutensilien verteilt, links von der Spielzeugküche steht ein Dreirad. Hinter der Spielzeugküche ist ein Weihnachtsbaum aufgebaut, an dem Lametta hängt. Spielzeuge gehören schon lange zu den beliebtesten Geschenken für Kinder. Massenware machte Spielzeug erschwinglicher. Archiv des Alltags/076-148 Ein Kind mit Zöpfen sitzt mit einer Puppe im Arm auf einem Stuhl. Der Hintergrund ist dezent weihnachtlich geschmückt. Puppenhäuser und Einkaufsläden, früher häufig "Colonial Waaren Laden" waren ein teures, aber beliebtes Geschenk. Das Bild entstand um 1900. Archiv des Alltags/077-103

Der enge Familienkreis – die Kernfamilie – wurde zunehmend wichtiger und zudem auch die Stellung des Kindes. Galt die Kindheit lange als eine Phase, die es schnell zu überwinden galt, wurde dem Kind-Sein durch Humanismus und Aufklärung mehr Platz gewährt. Die Kindheit wurde als wichtige Entwicklungsphase angesehen und zeitgleich pädagogisch begleitet. Das Beschenken galt aber nicht nur als Ausdruck der Zuneigung, sondern wurde lange Zeit als Erziehungsmaßnahme genutzt. So findet sich auch im Struwwelpeter, welcher ab 1844 publiziert wurde, das Lied:

Wenn die Kinder artig sind,
Kommt zu ihnen das Christkind;
Wenn sie ihre Suppe essen
Und das Brod auch nicht vergessen,
Wenn sie, ohne Lärm zu machen,
Still sind bei den Siebensachen,
Beim Spaziergehn auf den Gassen
Von Mama sich führen lassen,
bringt es ihnen Gut’s genug
Und ein schönes Bilderbuch.

Auch andere Lieder wie „Morgen Kinder wird’s was geben“ zeugen von dem Schenken. Insbesondere in diesem ist auffällig, dass es hier nur noch um materielle Geschenke ging. Erkennbar ist die Entwicklung Weihnachtens zu einem Fest der Bescherung auch an der Entwicklung des Spielzeugmarktes im 19. Jahrhundert. Vorreiterrolle in Deutschland hatte das Erzgebirge, welches sich auf Spielzeuge spezialisierte. Hier wurde der Bedarf an kostengünstigen, da in Massen produzierten, Spielzeugen gedeckt.

Obwohl sich die Einkommen der ärmeren Bevölkerungsgruppen und die Verfügbarkeit von Spielzeug auf der Spitze der Industrialisierung erhöhten, war gekauftes Spielzeug meist trotzdem nur den Kindern von Bürgerfamilien vorbehalten. Geschätzt werden um 1900 zwei von zehn Kindern gekauftes Spielzeug besessen haben, weniger als ein Kind von zehn wird ein eigenes Zimmer gehabt haben, in dem es spielen konnte. So lag der Jahreslohn von Arbeitern bei unter 800 Mark pro Jahr bei einer Arbeitswoche von 60 Stunden. Für ein gekauftes Blechspielzeug für 50 Cent musste 4 Stunden gearbeitet werden.

Literatur

Thomas Ludewig: Christkind, Weihnachtsmann & Co. - Kulturgeschichtliches zu den weihnachtlichen Gabenbringern. Neuss 2007.

Alois Döring: Rheinische Bräuche durch das Jahr. Köln 2006.

Robin Stecken