LVR-Institut für Landeskunde
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Nachweihnachtliche Warnungen vor der fünften Jahreszeit. Eine Perspektive auf die Wiedereinführung des Kölner Karnevals 1924/25

Südportal mit Eingang zum Kölner Dom. Im Vordergrund der Domplatz mit Kirchgängern. Südportal des Kölner Doms, Keystone View Company, 1920. (Library of Congress)

An eine Sessions-Eröffnung wie wir sie jüngst etwa am 11.11. erlebt haben, war nach dem Ersten Weltkrieg in Köln lange nicht zu denken. Durch Kriegsfolgen und die Besatzung kamen karnevalistische Sitzungen und Kostümbälle erst ab 1925 wieder allmählich in Fahrt; „D‘r Zoch“ zog ab 1927 wieder durch die Straßen. An Versuchen, diese lange Unterbrechung zu verkürzen, hatte es nicht gemangelt - zum erheblichen Missfallen des Kölner Erzbischofs Karl Joseph Kardinal Schulte. Insofern darf es nicht verwundern, dass beim sonntäglichen Kirchbesuch am 28. Dezember 1924 nicht weihnachtliche Nachlese auf dem Programm stand, sondern das für 1925 zu erwartende jecke Treiben. Für Schulte stellten die tollen Tage nicht mehr als einen modernen Götzenkult dar; sie seien Hedonismus in Reinform und „Neuheidentum“.

Seite der Zeitung „The Cologne Post“ vom 18.12.1924. Die Tageszeitung für die Soldaten der britischen Rheinarmee berichtet über Schultes Appell zur Vermeidung des Karnevals. „The Cologne Post“, 18.12.1924. Die Tageszeitung für die Soldaten der britischen Rheinarmee berichtet über Schultes Appell. (Digital verfügbar unter: https://zeitpunkt.nrw/)

Die Wiederbelebung des Karnevals wollte der Kardinal daher unter allen Umständen verhindern. Das Thema schien so brisant, dass viele Priester das Hirtenwort ihres Oberhirten schon vor dem angeordneten Verlesungstag (28.12.1924) bekannt gaben – wie das wohl auf den Weihnachtsfrieden der Kölner Katholiken gewirkt hat, muss offenbleiben!

Sein Bemühen, das Karnevalstreiben zu verhindern, scheiterte jedenfalls auf ganzer Linie; er musste das Wiedererstarken einer „Karikatur von abstoßender Häßlichkeit“, so sein Wortlaut, in Kauf nehmen. Wenn heute nach Gründen für Schultes Haltung gesucht wird, kommt meist das vermeintliche Unverständnis einer in Westfalen tief verwurzelten Persönlichkeit gegenüber einem am Rhein landläufig empfundenen Phänomen „rheinischer Lebensfreude“ zur Sprache.

Inthronisation Karl Joseph Schultes (1871-1941), seit 1921 Kardinal, in Köln am 25.3.1920. Schulte wird von geistlichen Würdenträgern zum Dom begleitet.. (AEK) Inthronisation Karl Joseph Schultes (1871-1941), seit 1921 Kardinal, in Köln, 25.3.1920. (AEK)

Das verkürzt den Sachverhalt auf Aspekte der Folklore und verkennt, welchen Einfluss das besetzte Rheinland und erodierende katholische Ordnungsvorstellungen für einen erheblichen Teil der rheinischen Bevölkerung haben mussten. Das bisher in seinen Details kaum bekannte Hirtenschreiben kann im Anhang nachgelesen werden!

Das Thema ist kleiner Ausschnitt einer größeren Abhandlung über den Kölner Erzbischof, die im Rahmen des Promotionsprojektes von Keywan Klaus Münster („Macht und Konzilianz. Zur Biographie des Kölner Erzbischofs Karl Joseph Kardinal Schulte (1871-1941)“) entstanden ist.