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Karl Josef von Mylius - ein „vielbewegtes Leben“ zwischen Nikolaus und Weihnachten und zwischen den politischen Systemwechseln des 19. Jahrhunderts

Am Nikolaustag des Jahres 1778 wurde der erste preußische Oberbürgermeister von Köln Karl Josef von Mylius geboren. Als Sohn von Hermann Josef Freiherr von Mylius und Maria Elisabeth von Heinsberg schien seine Zukunft bereits vorbestimmt zu sein, gehörte er doch zwei alteingesessenen Patrizierfamilien an, die bereits mehrfach die Vorsteher der Reichsstadt gestellt hatten. Dass Mylius dabei zwei radikale politische Systemwechsel miterleben und sie als Jurist und Staatsbeamter gleichsam repräsentieren sollte, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand.

Portrait von Karl Josef von Mylius (1778-1838), Photographie der Originalzeichnung. Portrait von Karl Josef von Mylius (1778-1838), Photographie der Originalzeichnung, in einen Stammbaum geklebt? (Rheinisches Bildarchiv Köln, RBA 136 427).

Im Herbst 1794 brach mit dem Einmarsch französischer Revolutionstruppen im Rheinland eine neue Zeit - die sogenannte Franzosenzeit - an. Dabei wurden über 150 Einzelterritorien des Alten Reichs in nur fünf Verwaltungsdepartements eingeteilt und die dazugehörigen politischen Strukturen mitsamt der Autonomie Kölns aufgelöst. Mit einem Schlag verloren jahrhundertealte Orientierungsmuster der Kirche, der Zunft- und der Ständegesellschaft ihre Bedeutung. An ihre Stelle traten die Ideen der Französischen Revolution und ein modernisiertes Staatswesen, das die Rheinländer zu französischen Staatsbürgern erklärte und in den Gesetzbüchern Napoleons festgeschrieben wurde.

Das französische Recht garantierte erstmals die Freiheit des Eigentums und der Person sowie die Gleichheit vor dem Gesetz, das Prinzip der Öffentlichkeit und die Unabhängigkeit der Richter. Es wurde als überaus fortschrittlich empfunden und nach der Übernahme der linksrheinischen Gebiete durch das Königsreich Preußen im Jahr 1815 von führenden Juristen und der Bevölkerung als "Rheinisches Recht" verteidigt. Zu den populärsten Verteidigern gehörte Karl Josef von Mylius. Er hatte nach einem Studium der Rechtswissenschaften in Köln, Jena und Göttingen eine steile Karriere im napoleonischen Staatsdienst absolviert, die ihm sogar die Ernennung zum höchsten Beamten vor Ort, zum Präfekt des Departments Lippe, einbrachte. Zuletzt war er von 1812 bis 1815 als Richter am obersten Gerichtshof des Großherzogtums Berg, am Düsseldorfer Appellationsgericht, tätig. Mit dem Übergang der linksrheinischen Gebiete von Frankreich zu Preußen im Zuge des Wiener Kongresses 1815 wurde dieser Gerichtshof aufgelöst und Mylius' Karriere im Justizdienst (vorerst) abrupt beendet.

Titelblatt des Zivilsgesetzbuchs 1804. Code civil 1804 (https://gallica.bnf.fr/).

Stattdessen trat er das weitaus weniger lukrative aber verdienstvolle Ehrenamt des Oberbürgermeisters der Stadt Köln an und setzte sich für die Interessen und Wünsche seiner Heimatstadt ein. Konkret bestanden diese in der Wiederherstellung der Universität und des Bistums; in der Einrichtung höhere Verwaltungs- und Justizbehörden und in der Rückgabe der durch Napoleon nach Paris überführten Kunstgegenstände der Stadt Köln. Zusätzlich setzten sich Mylius und die Kölner Stadträte persönlich bei König Friedrich Wilhelm III. für den Erlass einer Verfassung und die Wiedererlangung ihrer in der Franzosenzeit verloren gegangenen Selbstverwaltungsrechte ein. Ohne Erfolg - wenige Wochen später wurden die Rechte der Ratsherren und des Oberbürgermeisters durch den Erlass der ersten von oben verordneten Steuergesetze und den Einsatz eines preußischen Polizeidirektors massiv eingeschränkt.

Der Rat fühlte sich durch diese Maßnahmen nach eigenen Aussagen „in seinem Ehrgefühl gekränkt und in den Augen der Bürgerschaft herabgesetzt.“ Er beschwerte sich schriftlich bei der übergeordneten Behörde, der Kölner Bezirksregierung, über das „unverdiente Mißtrauen“ und die „dem Herrn Oberbürgermeister öffentlich zugefügte Beleidigung.“ Mylius war durch den Verlust der ihm gesetzlich zustehenden Polizeigewalt tatsächlich nicht dazu bereit, sein Amt fortzuführen - schließlich hatte er als ehemaliger Präfekt und Richter bereits weitaus größere Machtbefugnisse ausgeübt als die eines Oberbürgermeisters und Polizeidirektors. Hinzu kam, dass es sich bei dem neuen Polizeidirektor Karl Philipp von Struensee um einen pommerischen Neuadeligen handelte, der mit den Ortsverhältnissen und Lebensgewohnheiten im Rheinland nicht bekannt und in der Stadtgesellschaft äußert unbeliebt war. In der Stadtratssitzung vom 2. Dezember 1817 erklärte Mylius daher, „daß ihm Jene Bekanntmachung so empfindlich gewesen sey, daß er seine Entlassung von seiner Stelle nochmals nachgesucht habe, er hoffe aber, daß der Stadtrath den von ihm geschehenen Schritt einem Mangel an Liebe für seine Vaterstadt nicht zuschreiben werde.“

Köln, Justizgebäude am Appellhofplatz, Südfassade. Köln, Justizgebäude am Appellhofplatz, Südfassade (Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Am 27. August 1819 verabschiedete er sich von den Stadträten mit einer langen emotionalen Rede, um seine Justizkarriere am neuen obersten Gerichtshof, am Appellationsgericht in Köln, fortzuführen. Er stieg dort bis zum Senatspräsidenten auf, wurde zum Vertreter der Stadt Köln im Rheinischen Provinziallandtag bestimmt und setzte sich weiterhin für die Bevölkerung und die Beibehaltung des Rheinischen Rechts ein.

Textausschnitt aus der Kölnischen Zeitung Nr. 359/360 zum Tod des Senatspräsidenten vom 25.12.1838. Kölnische Zeitung Nr. 359/360, 25.12.1838 (Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, URL: https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/titleinfo/9715712).

Als er am Morgen des 24. Dezember 1838, des Weihnachtstages eines ereignisreichen Jahres in Köln, im Alter von 60 Jahren verstarb, wurde in der Kölnischen Zeitung „tief betrübend“ über den frühen Verlust eines „der geachtesten Bürger Köln's“ berichtet und „sein vielbewegtes öffentliches Leben“ resümiert: „Sein Wirken war groß und vielseitig; er stand vollkommen auf der Höhe seiner Zeit, und kein wahres Bedürfniß dieser Zeit entging seinem tiefdringenden Blicke.“

Katharina Thielen

Quelle:

Historisches Archiv der Stadt Köln Bestand 410 Nr. A1 Protokolle des Stadtrats (1813-1821).

Literatur:

Haferkamp, Hans-Peter/Schwerin, Margarete Gräfin von (Hg.), Das Oberlandesgericht Köln zwischen dem Rheinland, Frankreich und Preußen, Köln/Weimar/Wien 2019.

Faber, Karl-Georg, Recht und Verfassung. Die politische Funktion des rheinischen Rechts im 19. Jahrhundert, Köln 1970.

Mettele, Gisela, Bürgertum in Köln 1775-1870. Gemeinsinn und freie Association, München 1998.

Erfahren Sie mehr über die Beziehungsgeschichte zwischen Preußen und dem Rheinland auf dem Portal Preußen im Rheinland.

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