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Ein Patrozinium, das nicht im Heiligenkalender steht. Sankt Mokka in der Eifel

Jede Kirche trägt einen Namen, im katholischen Bereich sind es immer heilige oder selige Christinnen oder Christen, welche als Namensgeber für ein Gotteshaus dienen. Neuere Kirchen erhalten häufig Namen vorbildlicher Christen aus dem letzten Jahrhundert, wie z. B. Märtyrer totalitärer Diktaturen wie dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus.

Fährt man in die schöne Eifel und kommt in den oberhalb des Rursees idyllisch gelegenen Ort Schmidt, so steht man vor einem Gotteshaus, das nach Ausweis einer Tafel ihr Patrozinium St. Mokka nennen darf. Doch wer war dieser merkwürdig klingende Heilige? Warum diese merkwürdige Bezeichnung, die man sonst nie findet, mitten in der Eifel?

Kirchengebäude im Eifeldorf Schmidt. Kirche St. Hubertus – „St. Mokka“ in Nideggen-Schmidt © Gemeinschaft der Gemeinden Heimbach, St. Hubertus Schmidt

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, muss man in die Vergangenheit dieses Ortes schauen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs tobten in dieser Gegend schwere Gefechte zwischen der von Westen vordringenden US-amerikanischen Armee und der deutschen Wehrmacht. Unter anderem Schriftsteller wie Ernest Hemingway oder Heinrich Böll haben diese furchtbaren Ereignisse in „You enter Germany“ beschrieben. Diese von September 1944 bis März 1945 anhaltenden Schlachten im und um den Hürtgenwald forderten zehntausenden Soldaten das Leben. Große Zerstörungen der Dörfer und des Waldes waren die Folge. Auch die damalige Dorfkirche von Schmidt fiel 1944 dem Krieg zum Opfer. Die Gottesdienste mussten in eine Holzbaracke verlegt werden. Nach dem Krieg wollte der seit 1947 in Schmidt tätige Pfarrer Josef Bayer das Gotteshaus wieder neu errichten – allein das Geld hierzu fehlte.

Doch der Gottesmann beobachtete, dass es einer ganzen Reihe seiner Pfarrkinder trotz der allgemein sehr schlechten Situation, einigermaßen gut ging. Warum? Die Lage des Ortes – nur wenige Kilometer von der belgischen Grenze entfernt – ermöglichte den Menschen aus Schmidt und der weiteren Umgebung, lukrative – wenn auch nicht ungefährliche – Geschäfte zu betreiben, indem sie Kaffee aus Belgien nach Deutschland schmuggelten; bis nach Eupen gingen die Menschen hierfür zu Fuß. Sie erwarben das „braune Gold“ im Nachbarland zu einem recht günstigen Preis und konnten den Kaffee dann in Deutschland sehr viel teurer weiterverkaufen; die Kaffeesteuer in Deutschland trug ein Übriges dazu bei, die Gewinnmarge bei diesen Geschäften zu vergrößern. Allerdings war die Schmuggelei nicht nur anstrengend, alles musste ja transportiert werden, sondern vor allem auch gefährlich, weil die Zöllner zahlreich kontrollierten. Das alles war dem Pfarrer nicht entgangen und daher wandte er sich in seinen Predigten an seine „Schäfchen“ und bat sie um Unterstützung beim Bau einer neuen Kirche. Ein Hinweis auf die Tatsache, dass Kirchenmitglieder bereits ihre eigenen Häuser wieder haben errichten können und wohl auf das schlechte Gewissen der Kaffeeschmuggler genügte dann, um die Menschen zu Spenden an die Kirche aus den Gewinnen des illegalen Treibens zu bewegen. Einmal sagte der Pfarrer in einer Predigt: „Ich bete Nacht für Nacht, dass ihr nicht erwischt werdet, und ihr habt nichts für den Wiederaufbau der Kirche übrig.“ Solche Ansprachen fruchteten. Hauptsächlich aufgrund dieser Spenden – neben vielen Hand- und Spanndiensten der Einwohnerinnen und Einwohner – entstand von März 1949 bis 1950 eine neue, wenn auch nüchterne Kirche im Stil von vielen Nachkriegsbauten – ohne prächtige Malereien – die heute einen ganz eigenen Charme aufweist: der Altar aus Bruchstein mit einer Marmorplatte, das Mittelschiff mit horizontaler Holzdecke, etwas tiefer gelegt gegenüber dem ehemaligen Gewölbe. Der heilige Hubertus ist übrigens der eigentliche Patron. Aber die rheinisch-katholische Liberalität lässt auch Platz für einen zweiten Patron, dem das Gotteshaus maßgeblich seinen Wiederaufbau verdankt: „Sankt Mokka“ steht in weißen Buchstaben auf kaffeebraunem Hintergrund an der Kirchenfassade.

Literatur und Linkhinweise

Katholische Kirchengemeinde St. Hubertus Schmidt. Online unter www.st-hubertus-schmidt.de/St-Hubertus/Geschichte-der-Kirche

Wochenspiegel: Manni kallt Platt: Sankt Mokka. Online unter www.wochenspiegellive.de/themen/thema/manni-kallt-platt/artikel/manni-kallt-platt-sankt-mokka

Dr. Wolfgang Rosen