LVR-Institut für Landeskunde
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Ein Feldpostbrief aus dem Kessel von Stalingrad zu Weihnachten.

Weihnachten verbinden wir in der Regel mit edlen Düften, warmen Lichtern und besinnlichen Momenten im Kreise der Familie. Was für uns zunächst einmal selbstverständlich klingt, war in den Kriegsjahren zwischen 1939-1945 für einen Großteil der deutschen Bevölkerung keine Normalität, was unter anderem die Feldpostbriefe des ehemaligen Wehrmachtspfarrers Gustav Raab belegen.

Gustav Raab beim Spenden der Eucharistie an der Front. Gustav Raab beim Spenden der Eucharistie an der Front, undatiert. Foto: Pfarrarchiv Viersen St. Remigius.

Der Viersener Kaplan Gustav Raab diente seit 1941 als Kriegspfarrer der Wehrmacht. Seine Versetzung in die 6. Armee der 14. Panzerdivision führte ihn im November 1942 nach Stalingrad, wo er aus dem Kessel regelmäßig Briefe in die Heimat verschickte. So schrieb der Divisionspfarrer in einem Brief zwischen Weihnachten und Neujahr an seine Familie: „Ich zog durch die Nacht von Bunker zu Bunker, von Posten zu Posten, immer begleitet vom feindlichen Feuer. Und wie es dann jedesmal aufklang: »Stille Nacht, heilige Nacht« als ich so allein wie ein Bote des Herrn durch die Schneesteppe stampfte, da habe ich mir gesagt: »Und wenn meine ganze Soldatenzeit nur für diese eine Nacht gewesen wäre, dann ist sie nicht umsonst gewesen.«“. Raabs Briefe wurden zunächst in der Viersener Hauptpfarre St. Remigius verlesen, bis sie 1943 infolge der Zuspitzung des Krieges vom Bischöflichen Generalvikariat Aachen und der Gestapo verboten worden waren. Der Grund dafür war vor allem die schonungslose Darstellung der Kriegsrealität an der Front gewesen, die im starken Widerspruch zu der NS-Kriegspropaganda stand, da sie die „Heimatfront“ über den wahren Kriegsverlauf informierte.

Brief des Kaplans Gustav Raab an seine Gemeinde, Abschrift des am 03.11.1942 geschriebenen Originals, das von der Gestapo beschlagnahmt wurde. Brief des Kaplans Gustav Raab an seine Gemeinde, Abschrift des am 03.11.1942 geschriebenen Originals, das von der Gestapo beschlagnahmt wurde. Foto: Pfarrarchiv Viersen St. Remigius.

Möchten Sie mehr über Gustav Raab und seine Erlebnisse an der Front erfahren? Dann werfen Sie gerne einen Blick in unsere kürzlich erschienene Publikation über das Bistum Aachen im Nationalsozialismus (Das Bistum Aachen im Nationalsozialismus. Eine Spurensuche in Biographien und Ereignissen, bearb. von Helmut Rönz/Keywan Klaus Münster, Aachen 2022.).

Literatur

Das Bistum Aachen im Nationalsozialismus. Eine Spurensuche in Biographien und Ereignissen, bearb. von Helmut Rönz/Keywan Klaus Münster, Aachen 2022.

Feldpostbriefe aus Stalingrad: November 1942 bis Januar 1943, hrsg. von Jens Ebert, München 2006.

Priester unter Hitlers Terror. Eine biographische und statistische Erhebung, bearb. von Ulrich von Hehl/Christoph Kösters u.a., 4. durchgesehene und ergänzte Auflage, Paderborn u.a. 1998.

Asya Dördü