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Paul Derks: Die Siedlungsnamen der Gemeinde Weeze am Niederrhein. Sprachliche und geschichtliche Untersuchungen. Mit einem Ausblick nach Geldern und Goch (Schriftenreihe der Gemeinde Weeze 1), Weeze 2006.
Neuere namenkundliche Veröffentlichungen für das Rheinland sind rar. Will sich der interessierte Laie über Flur-, Orts- oder Gewässernamen seiner Heimat informieren, muss er auf vergleichsweise alte Literatur zurückgreifen. Aber auch die Werke von Dittmaier, Kaufmann, Leithaeuser, Bach oder Gysseling helfen oft nicht weiter, sobald es um weniger bekannte Namen geht. Wenn nun auch noch das traditionsreiche Institut für geschichtliche Landeskunde in Bonn geschlossen wird, haben örtliche Forscher keinen universitären Ansprechpartner mehr bei namenkundlichen Fragen.
Gar keinen? Eine rühmliche Ausnahme unter den rheinischen Sprachwissenschaftlern ist Paul Derks, Professor für Germanistik an der Universität Duisburg-Essen. Er hat seit den frühen Achtziger Jahren eine beeindruckende Reihe von Veröffentlichungen zur rheinischen Toponymie vorgelegt, die, wenn zum Teil auch an entlegenen Orten erschienen, zusammengenommen durchaus als eine moderne rheinisch-westfälische Namenkunde gelten können. Auch wenn die vielen Arbeiten sich meist auf einzelne Orte wie Angermund, Essen, Langenberg, Bonn, Uerdingen oder Meerbusch beziehen, so ist ihre Lektüre dennoch für alle namenkundlich Interessierten im Rheinland von Gewinn, weil Derks in bester philologischer Tradition bei jedem Namen alle regionalen und oft auch überregionalen Vergleichsformen heranzieht und somit viel mehr Etymologien bietet, als es der jeweilige Titel vermuten lässt. Darüber hinaus ist jede seiner Abhandlungen - nicht ganz unbeabsichtigt - ein methodologisches Lehrstück, das jeder, der sich auf das stark verminte Feld der Namenkunde zu begeben gedenkt, tunlichst studieren und verinnerlichen sollte. Dies gilt insbesondere für sein neuestes Werk.
Es ist auch für diejenigen, denen der Name Weeze nichts sagt - es werden nicht wenige sein -, von großem Nutzen, weil Derks in der Einleitung grundlegende Fragen der Namenkunde erörtert und die namenkundliche Literatur kritisch sichtet. Und wie bei ihm selbstverständlich erwarten den Leser nicht nur Deutungen der lokalen Namen, sondern jeweils kleine philologische Abhandlungen, die Namentypus, Vergleichsformen, Überliefung und Sprachgeschichte ausführlich vorstellen. So ist gleich das erste Kapitel zu örtlichen Flussnamen auch eine kurze Einführung in die deutsche Gewässertoponymie und bietet Deutungen der Namen Niers, Ems, Werse, Moersbach, Milse, Geizefurt, Ochsenfurt, Coevorden (in den Niederlanden), Hersevorde, Schweinfurt und Rentfort (in einem späteren Kapitel noch Ahr, Sauer und Emscher). Und auch Nicht-Niederrheiner werden ihre Freude an Etymologien von Ortsnamen haben, die Derks quasi en passant mitliefert: Hattingen, Kettwig, Wattenscheid, Rheydt, Vinn, Venlo, Baerl, Barlo, Rath, Radevormwald, Ossum, Vogelheim, Meiderich.
Breitesten Raum nehmen jedoch die Ableitungen der zentralen Ortsnamen Kevelaer, Goch und Uedem ein. Hier räumt Derks mit einer Reihe von Legenden auf, die noch immer durch die Regionalliteratur geistern. Das gilt auch für die Keltomanie, mit der bis heute in niederrheinischen Ortsnamen keltische Wurzeln entdeckt werden. Diese Ableitungen haben keinerlei Berechtigung. Selbst die berühmten Namen auf –acum (Juli-acum – Jülich) sind, obwohl die Endung ursprünglich wirklich ein gallisches Relikt ist, heute kein „ethnischer Beweis" mehr, weil sie von den Römern übernommen und im Rheinland eingeführt worden sind. Damit verliert wohl auch der „keltische" Vorzeigeort Nimwegen (Noviomagus) seinen vorrömischen Glanz und die Niederrheiner müssen sich an die Vorstellung gewöhnen, dass ihre Heimat nie zum Siedelgebiet dieses tapferen Volkes gehört hat. So ganz nebenbei erlegt Derks noch eine andere heilige Kuh der rheinischen Landesgeschichte: die Gauforschung. Seine Argumente lassen nur einen Schluss zu: Gaue im politischen Sinn als fest umrissene Siedelgebiete germanischer Stämme hat es nie gegeben. Auch die „Gau-Grafschaft Hattuaria", die gemeinhin am Niederrhein verortet wird, habe so nie existiert, sie sei eine Erfindung der Historiker.
Man sieht, die Schriften von Paul Derks sind weit mehr als dröge namenkundliche Abhandlungen. Sie seien deshalb allen ans Herz gelegt, die sich für rheinische Namenkunde, aber auch für die Regionalgeschichte insgesamt interessieren. Eine kleine Warnung sei jedoch angebracht: Diese Lektüre ist keineswegs leichter Stoff. Derks demonstriert anschaulich, welch anspruchsvolles Fach er vertritt. Namenkundliche Philologie setzt ein enormes Spezialwissen voraus; vielleicht ein Grund, weshalb Namenkunde kaum noch stattfindet.
Für alle, die neugierig auf die Schriften von Paul Derks geworden sind, folgt nun eine Auswahl seiner Werke, die insbesondere für Rheinländer und Rheinländerinnen von Interesse sind:
Die Siedlungsnamen der Stadt Essen. Sprachliche und geschichtliche Untersuchungen (= Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen, 100). Essen 1985. 241 S.
Die Siedlungsnamen der Gemeinde Uedem am Niederrhein. Sprachliche und geschichtliche Untersuchungen. (Schriftenreihe der Gemeinde Uedem 1). Uedem 2007.
Die Siedlungsnamen der Stadt Bonn. Ein Widerwort. In: Rheinische Vierteljahrsblätter 53 (1989), 224-244 (Rez. zu: Bursch, Horst: Die Siedlungsnamen der Stadt Bonn. Bonn 1987).
Von Angermund bis Zeppenheim. Die Ortsnamen des Düsseldorfer Stadtbezirks 5 (= Beiheft zum Heimat-Jahrbuch Wittlaer, 1). Düsseldorf 1994. 61 S.
Orts- und Flurnamenforschung in Langenberg. In: Romerike Berge. Zeitschrift für das Bergische Land 44 (1994) 2, 23-31.
Der Siedlungsname Uerdingen: weder 'Wurt' noch 'Dingplatz'. Zum Problem der sachlichen Folgerungen aus sprachlichen Befunden. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 198 (1995), 7-27.
Im Lande Keldaggouue. Beiträge zur niederfränkischen Siedlungsnamen-Forschung im Umkreis der Stadt Meerbusch (= Im Rheinbogen. Schriftenreihe des Heimatkreises Lank. Beiträge zur Lanker und Meerbuscher Geschichte, 8). Meerbusch 1999. 97 S.
Uuisilli - Lippeham - Matena. Beiträge zur frühen Geschichte und zur Namenkunde der Stadt Wesel. In: Martin Wilhelm Roelen (Hrsg.): ecclesia Wesele. Beiträge zur Ortsnamenforschung und Familiengeschichte (Studien und Quellen zur Geschichte vonWesel 28), Wesel 2005, S. 9-74.
Von der Anger bis zum Schwarzbach. Die Gewässernamen des Düsseldorfer Stadtbezirks 5. Sprachliche und geschichtliche Untersuchungen. Ratingen 2002.
Unverändert wichtig sind weiterhin:
Adolf Bach: Deutsche Namenkunde. I: Die deutschen Personennamen, 2 Halbbände. II. Die deutschen Ortsnamen, 2. Halbbände, 1 Registerband, Heidelberg 1981.
Heinrich Dittmaier: Rheinische Flurnamen. Unter Mitarbeit von Paul Melchers aufgrund des Materials des von A. Bach begründeten Rheinischen Flurnamenarchivs, Bonn 1963.
Heinrich Dittmaier: Siedlungsnamen und Siedlungsgeschichte des Bergischen Landes. Neusstadt an der Aisch 1956. Heinrich Dittmaier: Die linksrheinischen Ortsnamen auf -dorf und -heim. Sprachliche und schliche Ausweitung der Bestimmungswörter. Bonn 1979 (Rheinisches Archiv 108).
Henning Kaufmann: Rheinische Städtenamen. München 1983.