LVR-Institut für Landeskunde
und Regionalgeschichte
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„Wat nix koss, iss och nix“

Bild von Hermann Weinsberg Hermann Weinsberg, Porträt, Zeichnung von Meister Johann aus der Werkstatt von Bartholomäus Bruyn dem Älteren (1493-1555), 1539, Original im Kölnischen Stadtmuseum.

„Was nichts kostet, ist auch nichts.“ Dieser Spruch aus dem Alltagsleben schien wohl auch lange für das kirchliche Leben gegolten zu haben. Zahlen wir heute Kirchensteuer, mit der u. a. auch alle sakramentalen Dienste der Kirche gleichsam abgegolten sind, so war dies im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit etwas anders, wenngleich auch heute noch Reste davon in Anknüpfung an die damalige Tradition zu beachten sind. So gibt es beispielsweise zwar keine Pflicht, ist aber Tradition, wenn für ein Sechswochenamt oder ein Jahrgedächtnis zugunsten eines Verstorbenen ein kleinerer Betrag gespendet wird. Wohlgemerkt: Dies ist keine Pflicht – gehalten werden diese Gedächtnisse natürlich auch ohne monetäre Gegenleistung. In früheren Jahrhunderten war es üblich, Totengedächtnisse, sogenannte Memorien, zu stiften; als Gegenleistung musste die empfangene Kirche für den jeweiligen Toten an bestimmten Tagen für dessen Seelenheil beten.

Das berühmteste und zugleich berüchtigtste Beispiel aus der Geschichte, das zeigt, dass Geldleistungen leider elementar wurden, sind die Ablässe. Wenn mit dem Erwerb eines Ablasses auch kein Loskauf der Sünden verbunden war – dies war auch nie Teil der kirchlichen Lehre –, so verband man mit dieser Vorstellung eine entsprechende Reduktion der Sündenstrafen im Fegefeuer. Bedauerlicherweise wurde kirchlicherseits diese Unterscheidung auch nicht immer betont, sondern eher gefällig übersehen.

Wenn dieses Denken auch noch im 16. Jh. allgemein verbreitet war, so ist es nicht verwunderlich, dass im Köln der Frühen Neuzeit eine junge Kölnerin in dieser Weise handelte. Blicken wir zurück in die Karwoche des Jahres 1534 in die Rheinmetropole, wo die junge Tringin Weinsberg ihre Beichte vor Ostern in der Pfarrkirche St. Jakob, die am nördlichen Rand der Severinstraße lag, ablegen wollte. Sie kniete vor ihrem Beichtvater nieder und legte dabei ein Geldstück (bichtzpenink) auf ihre Kapuze (oben uff das heubt uff die heuk), welche ihren Kopf bedeckte. Als sie wieder aufstand, fiel die Münze auf den Boden. Doch weder sie noch der Priester konnten das Geld auf dem Boden entdecken. Tringins Bruder Hermann stand in der Nähe und fragte seine Schwester, warum sie denn die Münze auf ihren Kopf gelegt habe, worauf sie ihrem Bruder antworte: „da untfengt id der her, ich sehen, das er mallech die hant uff das heuft lacht, da dank ich, holt hie das gelt“ – so der Originaltext aus dem 16. Jh., in unserem heutigen Deutsch also: Damit der Beichtvater es dort wegnehmen könne, sie habe doch oft gesehen, dass er jedem die Hand auf das Haupt lege, damit er sich sein Geld holen könne. Hermann amüsierte über die Vorstellung seiner jüngeren Schwester köstlich. Zwar legte der Beichtvater den Beichtenden die Hand als Zeichen der Sündenvergebung auf den Kopf – gleichwohl nicht, um dort Geld zur Entlohnung der Beichte zu erwarten. Das war auch schon im 16. Jh. nicht üblich – daher der lachende Bruder, welcher auch gleich der Familie diese Geschichte zu deren Amüsement erzählt hat. Gleichwohl war das Mädchen Tringin dem Denken der Zeit so verhaftet, dass sie annahm, jede priesterliche Leistung – wie etwa die Beichte –, entgelten zu müssen.

Allerdings wurde das Handauflegen immer unüblicher, denn durch die zunehmende Ausstattung der Beichtstühle mit Gittern, wurde ein direkter Kontakt zwischen Priester und der beichtenden Person immer unwahrscheinlicher. Bei der heutigen meist üblichen Form des Beichtgespräches, das nicht in einem Beichtstuhl stattfindet, wäre ein direkter Kontakt – sprich eine Handauflegung als Zeichen der Absolution – wieder möglich; ja, wenn da nicht Corona wäre und überhaupt kaum mehr Gläubige beichten gehen.

Wir verdanken diese bezeichnende Episode dem Kölner Ratsherrn Hermann Weinsberg († 1597), der als Chronist des städtischen Alltagslebens der Frühen Neuzeit schriftliche Aufzeichnungen in einem enorm großen Umfang hinterlassen hat. Hermann war das erste von elf Kindern des Christi¬an Weinsberg und seiner Ehefrau Sophia Korth und wohnte am Waidmarkt, in steinwurfweite der Pfarrkirche St. Jakob.

Wenn Sie mehr über Hermann Weinsberg und sein spannendes Leben im Rheinland des 16. Jhs. erfahren wollen, so besuchen Sie gerne unser Internetportal. Dort können Sie natürlich auch Vieles zur Kölner und zur rheinischen Geschichte der letzten zweitausend Jahre erfahren: www.rheinische-geschichte.lvr.de.

Quellennachweis für diesen Artikel:

Wolfgang Rosen