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Weiberfastnacht - Jecke Frauen auf dem Land und in der Stadt
Dass an Weiberfastnacht der Straßenkarneval beginnt und an diesem Tag Frauen die Macht übernehmen ist weithin bekannt – aber woher kommt dieser Brauch? Vorne weg: Auch wenn es zahlreiche Theorien gibt, die das Fest „auf antike Vorstellungen von Fruchtbarkeits- und Wetterzauber der alten Weiber“ zurückzuführen versuchen, so ist dies bloße Spekulation und historisch nicht zu belegen. Belege für den Ursprung finden sich allerdings im Spätmittelalter. So lässt sich aus frühen Zeugnissen des 14. Jahrhunderts lesen, dass am Donnerstag vor Aschermittwoch verheiratete Frauen – teils auch Witwen, unverheiratete Töchter und gesondert Frauen aus dem Sexgewerbe - von den Städten zu einem Mahl eingeladen wurden. Daraus entwickelten sich im Laufe der Zeit Zechgelage unter den Frauen, wobei diese zunächst maskiert Heische-Umzüge veranstalteten und anschließend den erbeuteten Ertrag gemeinsam verzehrten – selbstverständlich ohne männliche Gäste, denn über diese wurde an diesem Tag auch Gericht gehalten.
Der Tag wurde sowohl im städtischen wie auch im ländlichen Bereich begangen. Im städtischen Raum ist für 1729 eine Fastnachtsfeier unter Klosterfrauen belegt, konkret von Nonnen des Kölner Benediktinerklosters St. Mauritius:
„Wir haben die Fastnacht in aller Lust passiert, und seindt alle Geistliche verkleidet gewesen und uns recht lustig gemacht, dann in Tag haben wir gedanzt und sprungen, des Nachts, wenn die Frau Äbtissin schlafen ist gewesen, dann haben wir Thee, Kaffe und Chocolade getrunken und mit der Kart gespielt und auf der Dam [Damenbrett] gespielt.“ (Klersch 1961: 56)
Ebenfalls für Köln, konkret 1810 am Alten Markt, wurde ein wildes Treiben beschrieben. Die dortigen Händlerinnen zogen den Männern mit dem Ausspruch Mötzenbestot die Hüte vom Kopf – angelehnt ist dies daran, dass die Braut nach der Hochzeit ihre Krone ablegen musste und „unter die Haube“ kam, also eine Haube als Kopfbedeckung trug – die darauf verwies, dass sie jetzt verheiratet war.
Die Taille einer Frau wird ausgemessen. Ihr Umfang bestimmt den Umfang des zugestandenden Baums. Foto: Karl Guthausen/Archiv des Alltags im Rheinland/114_022/LVR Ein Baum zum Fällen wird ausgesucht. Foto: Karl Guthausen/Archiv des Alltags im Rheinland/114_021/LVR
Auch im ländlichen Raum kam es zu unterschiedlichen Ausprägungen des Festes, meist verbunden mit dem Erheischen von Gaben. In der Eifel wurde den Frauen das Baumstammrecht zugesprochen: An Weiberfastnacht durften sie in den gemeinschaftlichen Wald gehen und einen Baum fällen, ihn verkaufen und den Erlös für den gemeinsamen Abend verwenden. Die Mindestdicke des Baumes war festgelegt – sie bemaß sich an der weitesten Taille der anwesenden Frauen. Aber auch auf andere Weise wussten sich Frauen Geld zu beschaffen, sei es durch Seilsperren auf Straßen, die erst aufgelöst wurden, wenn ein Wegzoll gegeben wurde, oder durch das Entwenden von männlichen Kleidungsstücken. Diese mussten von den Männern zurückgekauft werden oder wurden versteigert, um die gemeinschaftliche Kasse zu füllen.
Eine Formalisierung der Weiberfastnacht fand 1824 in Beuel statt. Die dort arbeitenden Wäscherinnen achteten sehr auf jegliche Verstöße, die eine unrechtmäßige Behandlung der Frauen durch die Männer darstellte. Sie organisierten sich und gingen gegen die Ausbeutung und Drangsalierung von Frauen durch ihre Männer vor – eine „Erhebung der Frauen unter karnevalistischer Tarnung und zu einem Akt der Solidarität, um alle Herren und Gebieter im Wäscher[innen]dorf [Anmerkung: Gemeint ist Beuel), denen es an dem nötigen Verständnis für die den Frauen zumutbare Arbeitsleistung fehlte, aufzuwecken und zur Besinnung zu bringen.“ (Bücher 1991: IV) Sie gründeten ein Damenkomitee, welchem jegliche Verstöße, Beleidigungen, Handgreiflichkeiten oder sonstige Fehltritte zu melden waren. Die gesammelten Vergehen wurden in Form eines Fastnachtsspiels verarbeitet und aufgeführt, bei dem die Eingeweihten genau wussten, wer bei dem Schauspiel gemeint war. Daraus entwickelten sich nach und nach immer mehr Programmpunkte, die die Beueler Weiberfastnacht ausschmückten. Bekannt ist - auch aus anderen Städten - der Sturm auf das Rathaus, welches für die symbolische Machtergreifung steht. Aber auch in anderen Städten im Rheinland entwickelten sich nach Beuel unterschiedliche karnevalistische Gruppen unter Frauen, auch Möhnenvereine genannt. Der Begriff Möhn bezeichnet eigentlich jede ältere verheiratete Frau oder wurde als abwertende Bezeichnung für ältere unverheiratete Frauen benutzt. Im rheinischen Karneval werden „bis heute die jecken Weiber an Weiberfastnacht Möhne genannt.“ (Rein)
Verkleidete Frauen während des Weiberfastnachtumzuges in Bonn-Beuel. Das Bild stammt aus den 1950er oder 60er Jahren. Foto: Unbekannt/Archiv des Alltags im Rheinland/065_089/LVR Verkleidete Frauen stehen verkleidet auf dem Balkon des Rathauses in Bonn-Beuel. Das Bild stammt aus den 1950er oder 60er Jahren. Foto: Unbekannt/Archiv des Alltags im Rheinland/065_086/LVR
Und dann ist da noch das Abschneiden der Krawatte, welches auch heute noch gerne und teilweise zum Leidwesen mancher Männer praktiziert wird. Sie wird häufig als ein Symbol von Status und Macht gedeutet, die an diesem Tag nicht von den Männern ausgeübt wird, sondern von den Frauen.
- Literatur