LVR-Institut für Landeskunde
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Extrablatt: Karneval fällt aus!!

Schlaglichter aus dem 19. Jahrhundert

Fritz Hönig, „Held Carneval“ von 1861, kolorierte Fotografie, 1861 Repro/Scan aus Ralf Bernd Assenmacher (u.a.): 175 Jahre … und immer wieder Karneval, Köln 1997, S. 41

Absagen der öffentlichen Karnevalsfeiern und der großen Züge im Rheinland hat es vereinzelt aus übergeordneten politischen Gründen immer wieder einmal gegeben, zu erinnern ist etwa an die Absage vor dreißig Jahren aufgrund der Konfliktlage im so genannten „Golfkrieg“ 1991.

Aber auch im 19. Jahrhundert hat es solche Absagen der öffentlichen Veranstaltungen gegeben. 1871 – also vor genau 150 Jahren – etwa fiel der öffentliche Karneval am Rhein aus. Hintergrund war der immer noch andauernde Deutsch-Französische Krieg, der trotz des schon geschlossenen Waffenstillstandsabkommens weiterging. Im Dezember 1870 hatten sich die Mitglieder der „Großen Karnevalsgesellschaft“ mit Stimmenmehrheit dafür ausgesprochen, die großen öffentlichen Karnevalsaktivitäten in Köln abzusagen. Eine Polizeiverordnung vom 10. Februar 1871 führte dann aus, dass über die Karnevalstage „alle Maskeraden auf Plätzen, Straßen und Maskenbälle in öffentlichen Lokalen … verboten“ seien. Sitzungen und sonstige Veranstaltungen in geschlossenen Räumen waren jedoch erlaubt bis Mitternacht – in einem zeitgenössischen Bericht heißt es: „Die Straßen waren äußerst belebt und in den Wirtshäusern herrschte ein reges Treiben.“ Die Erlöse der Veranstaltungen durch Eintrittsgelder wurden für die Unterstützung von ärmeren Kölner Familien gespendet, deren Männer als Landwehrleute einberufen waren. Auch in den anderen rheinischen Karnevalshochburgen wie Aachen, Bonn und Düsseldorf gab es keine großen Maskenzüge.

Aber auch zehn Jahre davor fiel der öffentliche Karneval am Rhein aus: Am 2. Januar 1861 war der preußische König Friedrich Wilhelm IV. nach schwerer Krankheit verstorben. Anfang Februar 1861 wünschte sein Nachfolger, König Wilhelm I., dass der öffentliche Karneval „aus Rücksicht der Pietät gegen den verstorbenen König und der Schicklichkeit“ in der Rheinprovinz ausbleiben sollte. Gesetzlich war ein Verbot jedoch nicht zu begründen – die örtlichen Behörden sollten versuchen, die lokalen Karnevalsvorstände zu überzeugen. Das gelang weitgehen – und so gab es 1861 weder in Köln noch in Aachen und Düsseldorf große Maskenzüge, während Veranstaltungen in geschlossenen Räumen bis Mitternacht erlaubt blieben – zudem wurde etwa auf dem Neumarkt eigens ein Theaterzelt für karnevalistische Darbietungen aufgeschlagen. Der „Held Carneval“ von 1861, der 1833 geborene Unternehmer und Mundartautor Fritz Hönig, konnte mit seinen „Untertanen“ Karnevalssamstag am stimmungsvollen „Geisterzug“ teilnehmen und wurde so vielleicht etwas für den ausgefallenen großen Umzug entschädigt. Wie wir aus dem Tagebuchnotizen des Kölner Kunstmalers und Politikers Friedrich Baudri (1808-1874) und aus der Tagespresse erfahren, hat es am Rosenmontag wohl doch einen kleineren Umzug gegeben – im Bonn wurde sogar ein üppiger Maskenzug präsentiert!

Gespensterzug aus dem Carneval in Köln. Originalzeichnung von A. Beck. „Greven Archiv Digital | www.grevenarchivdigital.de“

Beim Tod der Kaiserin Augusta, der Witwe von Wilhelm I., im Januar 1890 wurde eine Landestrauer ausgerufen, die bis zum Karnevalsdienstag reichte. Da es wiederum keine gesetzliche Handhabe eines Karnevalsverbotes gab, wandten sich das Kölner Fest-Comité, weitere Karnevalsgesellschaften und um ihren Umsatz fürchtende Kölner Geschäftsleute direkt an Kaiser Wilhelm II. und argumentierten damit, dass die in Köln sehr beliebte Augusta sicher für eine Durchführung des Rosenmontagszuges gewesen wäre. Erst am 8. Februar kam dann die erlösende Nachricht aus Berlin: der Kaiser hatte zugestimmt, der Rosenmontagszug am 17. Februar 1890 war gerettet und konnte unter extremem Zeitdruck realisiert werden. Die für die Durchführung des Zuges notwendigen Pferde, die sonst immer durch das preußische Militär zur Verfügung gestellt wurden, konnten durch bürgerliche Pferdebesitzer ersetzt werden. Man kann hier schon die beginnende Kommerzialisierung des rheinischen Karnevals erspüren – eine Entwicklung, die dann seit der Mitte des 20. Jahrhunderts immer weiter an Bedeutung gewann.

Georg Mölich

Link zum Greven Archiv Digital

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