LVR-Institut für Landeskunde
und Regionalgeschichte
Logo LVR

Bikini-Geschichte(n)

Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu-Strand-Bikini

Die Schauspielerin Ursula Andress als "Bond-Girl" im legendären "Dr. No Bikini". Motiv zur Ausstellung "Mode 68 – Mini, sexy, provokant" des LVR-Industriemuseums. Die Schauspielerin Ursula Andress als "Bond-Girl" im legendären "Dr. No Bikini". Motiv zur Ausstellung "Mode 68 – Mini, sexy, provokant". Noch zu sehen bis 23. Oktober 2022 im LVR-Industriemuseum Kraftwerk Ermen & Engels, Engels Platz 2, 51766 Engelskirchen. Siehe Ausstellungstipp unten! (Foto: Jürgen Hoffmann, © LVR-Industriemuseum)

„Am Strand von Florida ging sie spazieren
Und was sie trug, hätte keinen gestört
Nur eine einsame piekfeine Lady
Fiel bald in Ohnmacht und war sehr empört
Acht, neun, zehn, na was gab′s denn da zu sehen?
Es war ihr Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strandbikini
Er war schick und er war sehr modern
Ihr Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strandbikini
Ihr Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strandbikini
Ja, der gefiel ganz besonders den Herr'n

Aus dem Song Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu-Strand-Bikini, 1, Strophe und Refrain (1960, Text: Günter Loose)

Badetextilien und Diskussionsstoff

Empörung oder Begeisterung, Freiheitsgefühl oder Scham – kaum ein Kleidungsstück löst in der Modegeschichte so viele Affekte aus wie die Bademode. Sie ist die wohl minimalistischste Bekleidung, mit der sich Menschen in der Öffentlichkeit zeigen und gewährt in der Regel mehr Blicke auf den Körper bzw. die Körperformen als die meisten anderen Outfits. Egal, ob der Körper züchtig durch schwere Stoffschichten verhüllt ist wie noch im 18. Jahrhundert oder sich weitgehend ohne textile Barriere dem Wasser präsentiert – diskutiert wird über die Badekleidung eigentlich immer. Das zeigt sich derzeit auch einmal mehr an den Reaktionen auf Bekleidungsvorschriften in Schwimmbädern: Im Zuge der Debatte um Geschlechtergerechtigkeit ändern derzeit vereinzelte Freibäder ihre Badeordnung und gestatten es Frauen, sich dort mit freiem Oberkörper aufzuhalten. Ein Novum, begleitet von öffentlichen und medialen Diskussionen und das aktuellste Beispiel dafür, dass an der Bademode immer wieder Fragen von „Moral und Anstand“ ausgehandelt werden.

Badekleidung ist ein Spiegel jeweils zeitgenössischer Wertesysteme sowie Körper- und Geschlechterbilder. Sie repräsentiert Vorstellungen von Hygiene und Mode, folgt aber auch technischen Entwicklungen. Leichte, schnell trocknende Fasern und Funktionsstoffe, wie wir sie heute bei der Schwimmkleidung bevorzugen, mussten eben erst mal erfunden werden. Normen, Körperbilder, Freizeitverhalten, technische Errungenschaften – am Thema Bademode lassen sich die unterschiedlichsten Facetten eines kulturellen Wandels ablesen.

Modisch-moralische Revolte

Wieviel Aufsehen Badekleidung erregen kann, davon erzählt der eingangs zitierte Schlager aus dem Jahr 1960: Der besungene „Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strandbikini“ löst widersprüchliche Reaktionen aus. Eine „piekfeine Lady“ empört sich in der deutschen Liedfassung über den modischen Zweiteiler, wohingegen er in der Männerwelt für Begeisterung sorgt: „Ja er gefiel ganz besonders den Herr‘n“, heißt es im Refrain. In der englischen Textversion gesungen von Brian Hyland hat die Protagonistin sogar Hemmungen aus der Umkleidekabine zu kommen („She was afraid to come out of the locker"), sie geniert sich, sich in dem knappen Fummel öffentlich zu zeigen. Tritt sie schließlich doch aus der Kabine, entschwindet sie flugs ins Meer, um sich allen Blicken wieder zu entziehen. Die deutsche Protagonistin rettet sich ebenfalls ins Wasser, um den „Caballeros“ zu entgehen, die sie so begeistert verfolgen.
Viel Wirbel um wenig Stoff!

Der Song entstand in einer Zeit, als der Bikini modisch gerade zum letzten Schrei wurde, aber eben auch als gewagtes Kleidungstück galt. Der Liedtext reflektiert augenzwinkernd diese modisch-moralische Revolte; der Song wurde der Sommerhit 1960. Der „Bikini“ wurde bereits 1946 von Louis Réard erfunden, galt aber zunächst als zu freizügig, wenn nicht frivol, so dass er die Frage provozierte, ob seine Trägerin überhaupt als „anständiges Mädchen“ durchgehe. Zweiteiler gab es bereits früher, sie zeigten aber weniger Haut: Das Unterteil war wie eine Miederhose hochgeschnitten und bedeckte den Bauchnabel. Das knappe Höschen des Bikinis und die beiden Stoffstücke, welche die weibliche Brust bedeckten, waren eine skandalisierte Sensation.

Der Bikini begann sich erst ab 1959 allmählich durchzusetzen. Und passte dann ab Mitte der 1960er Jahre zum damaligen Lebensgefühl: Aufbruchsstimmung, Rebellion der jungen Generation gegen konservative Werte, neue Freiheiten und Emanzipationsbewegungen bestimmten den Zeitgeist. Einen zusätzlichen Popularitätsschub bekam der Bikini durch eine inzwischen ikonische Szene aus dem Spielfilm „James Bond – 007 jagt Dr. No“ (UK, 1962): Die Schauspielerin Ursula Andress entsteigt als Muscheltaucherin dem karibischen Meer, sie trägt dabei einen weißen Bikini mit einem Gürtel für das Muschelmesser. Ihre Darstellung einer sportlich-erotischen und selbstbewussten Frau wurde durch den Bikini gesteigert und kam beim Publikum gut an. Der Schnitt des Zweiteilers mit Gürtel ging als „Dr. No-Bikini“ in die Modegeschichte ein. Wie auch der „Itsy Bitsy-Song“ soll er den Verkauf von Bikinis angekurbelt haben.

Ausstellungstipp:
Mit Modegeschichte, gesellschaftlichen Umbrüchen und Zeitgeist der 1960er und 1970er Jahre beschäftigt sich auch die Ausstellung "Mode 68 – Mini, sexy, provokant" unserer Kolleg*innen im LVR-Industriemuseum Engelskirchen. Noch zu sehen bis 23. Oktober 2022. Infos: www.mode68.lvr.de

Fun Facts zum Bikini

Ein Sommerhit

Die deutsche Version des englischsprachigen Songs "Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikini" landete auf Platz Eins der Charts in Deutschland und wurde von „Club Honolulu“ gesungen. Dahinter verbargen sich die bekannte Sängerin und Schauspielerin Catharina Valente und ihr Bruder Silvio.

Namensgeber: Bikini Atoll

Der Name „Bikini“ leitet sich tatsächlich vom Bikini-Atoll im Pazifischen Ozean ab, wo in den 1940er Jahren die ersten Atombombentests stattfanden. Bikini-Erfinder Réard schrieb dem Figur betonenden, knappen Zweiteiler eine im metaphorischen Sinne vergleichbar „durchschlagende“ oder "explosive" Wirkung zu wie der Bombe. Eine Assoziation, die aus heutiger Sicht nicht nur sexistisch, sondern auch sehr zynisch wirkt. Zu seiner Zeit war ein Problembewusstsein für die verheerende Wirkung der Atombombe noch nicht vorhanden.

Teures Stöffchen

Das originale Filmkostüm, das Ursula Andress im Bond-Film trug, der „Dr. No-Bikini“, wurde für 60 000 US Dollar im Londoner Auktionshaus Christies versteigert - an Robert Earl, Besitzer der Planet-Hollywood-Restaurantkette. Eine erneute Versteigerung Jahre später scheiterte jedoch, weil das Mindestgebot nicht erreicht wurde.

Film- und Modegeschichte

Auch eine Männer-Badehose schrieb Film- und Modegeschichte. Wieder ist ein Film der James Bond-Reihe verantwortlich. Als Daniel Craig den Agenten mit der Doppelnull verkörpert, bekommt er im Streifen „Casino Royal“ (UK,USA, D 2006) eine Badeszene am Meer. Craig trägt dabei eine eng anliegende Badehose mit kurzem Bein im sogenannten "Speedo" Schnitt. Das Modell grenzt sich von den weiten Badeshorts ab, die bei Männern populär sind, und findet durch den Film seine Fans.

BikiniARTmuseum

Das BikiniARTmuseum in Bad Rappenau vermittelt historisches und zeitgenössisches Wissen zu den Themenfeldern Bademode und Bademodenkultur. Darüber hinaus ist auch die kritische Reflexion von Köperidealen Teil der Museumsarbeit.


Diskussionsstoff – auch mit Blick in die Geschichte

Der Bikini ist ein gutes Beispiel dafür, dass Bademoden eben nicht nur ein Stück Textil, sondern vor allem auch Diskussionsstoff sind. Gerade an der weiblichen Badekleidung werden im Laufe der Geschichte immer wieder Erwartungen an Geschlechterrollen, Körperideale, Moralvorstellungen und Modevorbilder ausgehandelt. Die oben erwähnte, aktuelle Diskussion um eine Entblößung des weiblichen Oberkörpers, noch dazu in einem Schwimmbad, in dem weibliche und männliche Badegäste zusammenkommen, wäre im 18. Jahrhundert undenkbar gewesen – meilenweit entfernt war diese Bekleidungspraxis von damaligen Werten und Normen und von der Art und Weise, wie die beiden Geschlechter sich zeigen und begegnen durften.

Literatur

  • Alac, Patrik: Der Bikini. Geschichte, Mode und Skandal, New York 2002.
  • Loschek, Ingrid: Reclams Mode- und Kostümlexikon, Stuttgart 2011, S. 110-113.
  • LVR-Industriemuseum: Reiz & Scham Bonn 2010, S. 70-75.
  • Vorarlberger Landesausstellung: Kleider und Leute, Bregenz 1991, S. 186-198.