LVR-Institut für Landeskunde
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Motorsport- oder Wandertourismus? Der Eifelverein und der Bau des Nürburgrings in den 1920er Jahren

Titelseite der Zeitschrift „Der Nürburgring“ von 1926 mit rotem Hintergrund und mit einem Kartenausschnitt als Titelbild, auf dem der Nürburgring eingezeichnet ist. Titelseite der Zeitschrift „Der Nürburgring“ von 1926, o. A.

Der Nürburgring feiert in wenigen Jahren sein hundertjähriges Bestehen. Die „grüne Hölle“ (Jackie Stewart) in der Eifel ist heute legendär. Als die Errichtung der damals als Gebirgsautorennbahn bezeichneten mehr als 28 Kilometer langen Strecke diskutiert wurde, meldeten Landschaftsschützer jedoch große Bedenken an. Darunter war auch der Eifelverein, der seit seiner Gründung 1888 sowohl für den Wandersport als auch für die Kulturpflege und den Naturschutz in der Region eintritt. Motorsport- oder Wandertourismus? Für die damals strukturschwache Eifel war diese Frage von Belang.

Am 15. Juni 1925 setzte der Eifelverein den Landeshauptmann der Rheinprovinz, Johannes Horion, von einer Entschließung in Kenntnis, welche die Interessenvereinigung auf seiner Jahresversammlung eine Woche zuvor in Prüm verabschiedet hatte. Durch die „starke Beeinträchtigung des Landschaftsbildes“, welche mit dem Bau der Rennstrecke einherginge, wurde für die Eifel „eine grosse Unruhe“ befürchtet. „Der Eifelverein hält die Anlage der Autorennbahn als eine Verletzung der Eifelnatur und für den allgemeinen Wanderverkehr schwer störend“, so die Entschließung. Zugleich gab man sich aber gesprächsbereit.

Diese Landschaftsschutzfraktion war jedoch nur eines von zwei Lagern. Der Kreis der Befürworter setzte sich aus umtriebigen Lokalpolitikern, regionalen Wirtschaftsvertretern und Autolobbyisten zusammen. Getragen von dem Motorsportenthusiasmus nach dem Ersten Weltkrieg griffen sie ältere Überlegungen auf, eine deutsche Grand-Prix-Strecke in der Eifel zu bauen. Sie alle betonten die Standortvorteile der Rennstrecke:

1. sei bei der dünnen Besiedlung die Beeinträchtigung des menschlichen Alltags überschaubar, 2. böte die Landschaft gutes Terrain um für Mensch und Maschine eine technisch anspruchsvolle Strecke zu trassieren, die auch für die deutsche Automobilindustrie Entwicklungschancen verbessert, 3. entstünde ein positives Alleinstellungsmerkmal für die Region, sowie 4. für die Eifel schüfen die Notstandsarbeiten neue nicht-agrarische Arbeitsplätze.

Eine Aussprache zwischen beiden Seiten am 18. Juli 1925 verlief „außerordentlich unerquicklich“. Denn bei den politischen Entscheidungsträgern war die Richtung klar.

Schon im Sommer 1925 erfolgten Baugenehmigung und -beginn, so dass – gut zwei Jahre nach der Eingabe des Eifelvereins – am 18. Juni 1927 der Autorennsport im Landkreis Adenau Premiere feiern konnte. Der Nürburgring war geboren. Mehr noch trat das Gegenteil der von den Kritikern geäußerten Befürchtungen ein: Die Trasse profilierte sich gerade durch ihre Einbettung in die Landschaft der Eifel bei Fahrern und Publikum. Auch wenn die Argumente des Eifelvereins als gegenstandslos zurückgewiesen worden sind, geben sie Auskunft über die Modernisierungsdebatten der 1920er Jahre. Denn auf der Jahreshauptversammlung von 1925 setzte man sich zudem mit den Themen Autoverkehr, Hochspannungsleitungen und Elektrizitätsgewinnung auseinander, die ebenfalls das Landschaftsbild der Urlaubsregion Eifel betrafen.

Für weitere Informationen siehe:

Haffke, Jürgen, Der Nürburgring 1925-1945, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/der-nuerburgring-1925-1945/DE-2086/lido/57d12b018138a5.11697468 (abgerufen am 20.06.2022).

Archiv des LVR, Nr. 11169, Akten betreffend Eifelverein in Bonn.

N. B.: Es gibt keine Angabe zum Urheber bei der Abbildung. Die Urheberrechtsschutzfrist ist abgelaufen.

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