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Eine Ladystour im Rheinland
Noch vor der Ausbreitung der Dampfschifffahrt und dem Bau der rheinischen Eisenbahn begaben sich Lady Elizabeth Dyer (ca. 1780–1864) und eine ihr vertraute Gesellschaftsdame zu Wagen, Wasser und zu Fuß von Koblenz über Frankfurt am Main, Heidelberg und Straßburg nach Paris. Dabei verkehrten sie einerseits in den höchsten Gesellschaftskreisen mit den „gentlemen“ in der Hauptstadt der preußischen Rheinprovinz und erkundeten andererseits die Burgenlandschaft des Mittelrheintals – scheinbar so gar nicht ladylike – zu Fuß. Beschwerliche Wanderungen boten ihnen Gelegenheiten zu Gesprächen mit der lokalen Bevölkerung und zu Weinverköstigungen, die noch heute zahlreiche Touristen an den Rhein führen. Sie entsprachen den Reisegewohnheiten der Männer aus den oberen sozialen Schichten, den Ideen der Aufklärung und einer romantischen Verklärung der Natur im Sinne der aufkommenden Rheinromantik – nicht aber den gängigen Vorstellungen von weiblichen Lebenswelten im 19. Jahrhundert.
Doch wer glaubt, dass selbstständige Frauen von dem sich entfaltenden Tourismus ausgeschlossen waren und das Reisen für zu gefährlich und zu beschwerlich erachtet wurde oder gar unerwünscht war, der sollte das Reisetagebuch der englischen Ladys im LVR-Niederrheinmuseum Wesel oder die Vorstellung dieser herausragenden Quelle im Projekt-Portal Preußen im Rheinland lesen. Denn das „Journal kept during a tour along the banks of the Rhine coming from Coblentz“ von 1826 steht solchen (sicherlich nicht unbegründeten) Klischees über die Mobilität von Frauen entgegen und hält so manche unerwartete Überraschung bereit.
Es berichtet von einer abenteuerlichen Rheinreise zweier wissbegieriger Damen, die ihre vielfältigen Eindrücke, kritischen Diskussionen und abwechslungsreichen Erlebnisse auf über 200 Seiten festhielten und mit aufwendigen Zeichnungen und eingeklebten Erinnerungsstücken dokumentierten. Dazu gehören nicht nur detaillierte Landschaftsbilder und die Übersetzung von Inschriften und Sagen, sondern auch die Visitenkarte eines Grafen, eine Lithografie der Kopfbedeckungen unverheirateter Frauen oder eine briefmarkengroße Abbildung Napoleons. Man erfährt, was es mit diesen Gegenständen und Souvenirs auf sich hatte, welche Gesellschaftsspiele gerade „en vogue“ waren und auf welche Art und Weise sich die Menschen an Neujahr beglückwünschten. Dabei werden die geselligen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse im Rheinland mit den Gegebenheiten in Großbritannien verglichen und zeitgenössische Selbst- und Fremdbilder aus der Perspektive der englischen Ladys beschrieben, die sich von jenen ihrer männlichen Mitreisenden im Wesentlichen nicht unterschieden. Inwiefern das zutrifft, können Sie im Portal Preußen im Rheinland nachlesen.