LVR-Institut für Landeskunde
und Regionalgeschichte
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Projektabschluss: „So was haben wir noch nicht erlebt!“ Die Flutkatastrophe 2021 in Euskirchen

Postkarte zur digitalen Ausstellung mit einem Foto von der Flutkatastrophe, auf dem ein Auto in Wassermassen treibt. Flyer zur digitalen Ausstellung.

Als ich am 1. Juli 2021 mein wissenschaftliches Volontariat im LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte begann, ahnte ich nicht, dass ich gute zwei Jahre später jedes Mal, wenn der Name „Euskirchen“ fällt, aufhorchen oder bei der Wettervorhersage im Fernsehen neben Bonn, meinem Wohnort, stets auch Euskirchen im Blick haben würde. Dieser regelrecht enge Bezug insbesondere zur Euskirchener Innenstadt und zum Ortsteil Schweinheim ist auf mein Volontariatsprojekt zurückzuführen.

Hochwasser in Euskirchen Schweinheim. Eine Person versucht mit einer Schaufel, Sand als Schutz zu verteilen. Hochwasser in der Schweizer Straße in Euskirchen Schweinheim. (Foto: Stadtarchiv Euskirchen, C. Chemnitz) Die Euskirchener Innenstadt unter Wasser. Eine Nachtaufnahme mit blauen und gelben Lichtern zeigt das Hochwasser. In der Euskirchener Innenstadt spitzte sich die Lage in den Abendstunden zu. (Foto: Stadtarchiv Euskirchen, J. Pieper)

Die Flutkatastrophe des 14. Juli 2021 hat das Rheinland stark getroffen. Auch in Bonn war die Naturkatastrophe mit schweren Sturzfluten und Überschwemmungen das bestimmende Thema der folgenden Tage und Wochen. Berichte über Betroffene, große Anteilnahme und Solidarität aus ganz Deutschland und unglaubliche Konvois mit Helferinnen und Helfern bestimmten die Schlagzeilen. „Was passiert hier?“, fragte ich mich. Der Kulturanthropologin in mir wurde schnell bewusst, dass ein solches Ereignis, das anscheinend alle Menschen beschäftigt und bewegt, ein wichtiges Forschungsfeld darstellt.

Nur wo beginnen? Letztlich war es eine schöne Fügung, die mich nach Euskirchen führte. Dr. Dagmar Hänel, die ehemalige Leiterin des LVR-ILR, vermittelte den Kontakt zur Leiterin des Stadtmuseums Euskirchen, Dr. Heike Lützenkirchen. Wir waren uns sofort einig, dass die Flutkatastrophe das Leben der Menschen in den Städten und Dörfern des Kreises Euskirchen, aber auch weit darüber hinaus, verändert und als prägendes Ereignis der regionalen Geschichte betrachtet werden muss. Wir begannen, das Ereignis und seine Folgen zu dokumentieren und zu erforschen.

Die zerstörte Schweinheimer Straße mit Schlamm, querstehendem Wohnmobil und einem Haus mit zerstörter Front. Die Schweinheimer Straße am 15. Juli 2021. (Foto: Stadtarchiv Euskirchen, Einsatzkräfte-Cloud) Die zerstörte Euskirchener Innenstadt mit kaputten Läden und aufgerissenen Straßen. Leute laufen ungläubig umher. Die Neustraße in Euskirchen kurz nach der Flut. (Foto: Stadtarchiv Euskirchen, P. Neuburg)

Gute zwei Jahre setzten wir uns intensiv mit den Betroffenen auseinander. Für das entgegengebrachte Vertrauen und die Bereitschaft, uns Ihre bzw. Eure Geschichten zu erzählen, bedanke ich mich auch an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich! Die Ergebnisse der Forschung präsentieren wir in einer digitalen Ausstellung, die ein authentisches und intensives Zeugnis einer Ausnahmesituation darstellt. Sie gewährt Einblick in die persönlichen Erlebnisse der Betroffenen: Die Auswirkungen der Katastrophe reichen von Unsicherheit und Angst bis zu Überforderung und Erschöpfung. Die Menschen wurden aus ihrem Alltag gerissen und gewohnte Strukturen, Ordnungen und Routinen wurden gestört. „Mein Alltag hat sich total geändert. Es dreht sich alles nur um die Baustelle und darum, zu organisieren, wann kommt wer, wie, was“, erzählte ein Zeitzeuge. Die große Solidarität und Hilfsbereitschaft aus ganz Deutschland sowie der Zusammenhalt in Gruppen und Nachbarschaften hat vielen Betroffenen beim Umgang mit der Katastrophe geholfen. Neben Unterstützung vor Ort und Sach- und Geldspenden gab es auch kreative Formen der Hilfe, etwa ein „Stundenspenden-Sparschwein“, in dem Kolleg*innen für Betroffene Arbeitsstunden sammelten, wie eine Zeitzeugin berichtete. Gemeinsame Feste und Traditionen, aber auch neue Rituale boten den Betroffenen Halt und unterstützten bei der Bewältigung. Auch das Erzählen über die Erlebnisse war für viele ein Mittel zur Verarbeitung, wie ein Zeitzeuge treffend formulierte: „Das Dorfgemeinschaftshaus war immer so ein Treffpunkt: ‚Wie geht es dir? Was hast du geschafft? Da und da habe ich Probleme.‘ Also das war Krisenbewältigung in Perfektion im Grunde.“ Dörfliche und städtische Strukturen haben sich infolge der Katastrophe auf ganz verschiedene Weise verändert. Und auch auf Gemeinschaften hat die Flutkatastrophe von 2021 großen Einfluss genommen.

Klicken Sie hier, um zur Ausstellung zu gelangen und mehr zu erfahren!

Ein Laptop in einem schön beleuchteten Saal, auf dem die Startseite der digitalen Ausstellung geöffnet ist. Startseite der digitalen Ausstellung. (Foto: LVR-ILR, E. Laubenstein)

Am 17. Oktober 2023 durften wir die digitale Ausstellung im Alten Casino in Euskirchen etwa 180 Gästen vorstellen und sie offiziell eröffnen. Wir freuen uns sehr über mittlerweile fast 11.000 Aufrufe.

Bürgermeister Sacha Reichelt hält ein Grußwort am Rednerpult. Bürgermeister Sacha Reichelt hält ein Grußwort. (Foto: LVR-ILR, E. Laubenstein) Große Leinwand mit der digitalen Ausstellung. Davor der große Saal mit vielen Gästen. Die Ausstellung wurde auf großer Leinwand präsentiert. (Foto: LVR-ILR, E. Laubenstein) Ein Gästebuch mit positiven Einträgen. Gästebuch zur Ausstellung. (Foto: LVR-ILR, E. Laubenstein)

Es hat uns sehr gefreut, dass die meisten Interviewpartner*innen bei der Eröffnung dabei sein konnten. Die vielen freundlichen und teils sehr herzlichen Kontakte mit den Betroffenen, aber auch mit dem Team des Stadtmuseums und der Stadt Euskirchen sind die Gründe dafür, dass ich auch in Zukunft bei "Schweinheim" und "Euskirchen" aufmerksam und hellhörig werde. Ein schönes Andenken an dieses wichtige Forschungsprojekt!

Hier nochmals der Link zur Ausstellung. Viel Spaß beim Durchscrollen!

Giulia Fanton

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