LVR-Institut für Landeskunde
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„Herrig betet und arbeitet“ – und blickt begeistert in seine eigene Vergangenheit

Alltag in Erftstadt-Herrig: Die Kinder lebten mit den Tieren zusammen und spielten in der Freizeit mit ihnen. LVR, CC BY 4.0 (Screenshot von 1946-Herrig-3/Archiv des Alltags im Rheinland)

Am 17. November 2023 fand im Schützenhaus von Erftstadt-Herrig die Vorführung der drei Teile des Films „Herrig betet und arbeitet“ statt. Der Veranstaltung voraus ging die Erschließung der Filme und dazugehöriger Fotos, die sich seit 2021 als „Sammlung Reyle“ im Archivbestand unseres Instituts befinden. Übergeben und in seinem Kontext erläutert wurde uns dieses für die alltagskulturelle Forschung sehr wertvolle Material von den Ortsansässigen Franz Gaspers und Johannes Schreiber, die an dem Abend der Vorführung auch selbst anwesend waren.

Der Amateur-Dokumentarfilm wurde von dem damals in Herrig tätigen Pfarrer Wilhelm Reyle mit einer geliehenen Kamera aufgenommen. Er hält das dörfliche Alltagsleben in Erftstadt-Herrig in den Nachkriegsjahren 1946 und 1947 in eindrücklicher Weise fest. Mit dem Erlös aus den ursprünglichen Vorführungen der Filme wurde der Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Dorfkirche finanziert.

Im Vorfeld der gelungenen Abendveranstaltung im November 2023 war es meine Aufgabe, mich intensiv mit der Film- und Fotosammlung zum Stadtteil Herrig zu beschäftigen, um unser gesammeltes Wissen darüber zusammenzutragen und aufzubereiten. Schon bei der Anfahrt in den Ort bot sich mir daher ein besonderes Erlebnis, als mir viele der Gebäude und Straßen, die schon in den Filmen zu sehen waren, vertraut erschienen.

Eröffnet und begleitet wurde die Veranstaltung von einigen Redebeiträgen, unter anderem seitens der Bürgermeisterin von Erftstadt Carolin Weitzel, des Leiters des historischen Archivs der Stadt Erftstadt Dr. Frank Bartsch sowie meinen Kolleg*innen Dr. Katrin Bauer und Christian Baisch.

Der Filmabend war durchweg geprägt von regem Interesse und großer Begeisterung der zahlreichen Zuschauer*innen. In besonderer Erinnerung wird mir bleiben, wie einige der Anwesenden, die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch im Kindesalter waren, sich selbst oder andere Personen im Film wiedererkannten. Mit der Institutskamera ausgerüstet gelang es mir, das Erstaunen, die Freude und die vielfältigen anderen emotionalen Reaktionen auf das Gezeigte einzufangen. Jene Momente sind es, die Veranstaltungen dieser Art und damit unsere Institutsarbeit umso wertvoller machen. Nach der Vorführung nutzten viele der Gäste die Gelegenheit, sich bei Speisen und Getränken über das Gesehene auszutauschen. Auch meine Kolleg*innen und ich konnten so manches interessantes Gespräch mit den Einwohner*innen Herrigs führen, deren kleinem Ort an diesem Abend – und auch darüber hinaus – eine große Bedeutung zukam. Wie nicht zuletzt Dr. Bartsch in seiner Rede hervorhob, werden durch die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geschichte und den Menschen von vermeintlich unscheinbaren Dörfern wie Erftstadt-Herrig wahre Schätze gehoben, die ansonsten im Verborgenen blieben.


Frederic Kausch