LVR-Institut für Landeskunde
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Projektabschluss: Filmtrilogie über das Keyenberger Schützenwesen

Der Schützenverein Keyenberg wurde von uns zwischen 2019 und 2022 bei seiner tagebaubedingten Umsiedlung mit der Filmkamera begleitet.

Im August 2023 feierten der zweite und dritte Teil meines Filmprojektes über die St. Sebastianus Schützenbruderschaft Keyenberg im Prozess der tagebaubedingten Umsiedlung Premiere. Damit ist ein Projekt erfolgreich abgeschlossen, welches mich seit 2019 beschäftigt.

Die Bruderschaft ist der größte Verein in Keyenberg, welches im Braunkohleabbaugebiet Garzweiler II liegt, und sie beging 2019 ihr letztes Fest im alten Dorf. Dass die filmische Begleitung des Vereins zu einem Langzeitprojekt wurde, ist dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie Anfang 2020 geschuldet. Durch die Absage von Vereinstreffen und Feiern konnte das erste Schützenfest im Umsiedlungsort Keyenberg (neu), mit welchem ein Jahreslauf des Vereins porträtiert werden sollte, nicht wie geplant stattfinden und die Dreharbeiten somit nicht abgeschlossen werden. Als Filmteam mussten wir umdisponieren und entschieden uns, die filmische Begleitung solange fortzusetzen, bis der Verein im neuen Dorf ankommen konnte. Das sollte zwei Jahre dauern, erst im Mai 2022 wurde das erste Fest gefeiert und stellte damit das Ende der Dreharbeiten dar.

Schützenzug in geschmückter Straße, im Hintergrund ist ein Bagger des Tagebaus zu erkennen. Cover: „Das letzte Fest“. Foto: Königsallee beim Schützenfest in Keyenberg, 2019. (Foto/Grafik: Georg Wessel, LVR-ILR/Subgrafix)

Der erste Filmteil (2021) „Das letzte Fest. Die St. Sebastianus Schützenbruderschaft Keyenberg siedelt um“ begleitet die Mitglieder des Schützenvereins durch das Jahr 2019 hindurch: bei den Festvorbereitungen, dem dreitägigen Schützenfest selbst sowie der Spätkirmes im Herbst. Es war das 570. Vereinsjubiläum und wurde als Bezirksschützenfest im großen Rahmen ausgerichtet. Vor der Kamera erzählen die Interviewpartner*innen, vor welchen Herausforderungen ein Verein in der Situation der Umsiedlung steht. Die Bedeutung von Heimat und Gemeinschaft sowie die Vorstellungen der Umsiedelnden von der Zukunft am neuen Standort werden aufgegriffen. Der Abschied vom Dorf, wo besonders die enge Verbindung zur Kirche von großer Bedeutung ist, fällt den Mitgliedern sichtlich schwer.

Ein Schütze befestigt ein Plakat mit der Aufschrift „Wir sehen uns wieder“ an einem Laternenpfahl. Cover: „Angekommen“. Foto: Plakataktion zum ausfallenden Schützenfest Keyenberg (neu), 2021. (Foto/Grafik: Anja Schmid-Engbrodt, LVR-ILR/Subgrafix)

Aus dem Videomaterial, das zwischen Januar 2020 und Mai 2022 gedreht wurde, entstanden zwei weitere Filme: „Angekommen? Die St. Sebastianus Schützenbruderschaft Keyenberg bewältigt Umsiedlung und Coronapandemie“ (2023) thematisiert die Phase des pandemischen Stillstandes sowie die Suche nach Möglichkeiten, unter diesen Umständen das Vereinsleben im Neuort zu etablieren.

Der Schützenkönigin und sein Hofstaat sind auf einer Straße vor dem Ortsschild Keyenberg (neu) unterwegs. Cover: „Das erste Fest“. Foto: Schützenkönigin zieht durch Keyenberg (neu), 2022 (Foto/Grafik: Anja Schmid-Engbrodt, LVR-ILR/Subgrafix)

Im Zentrum des dritten Filmteils „Das erste Fest. Wie die St. Sebastianus Schützenbruderschaft in Keyenberg (neu) angekommen ist“ (2023) stehen die Planung und Ausrichtung eines Festes unter dem Einfluss der Corona-Pandemie sowie der Umgang mit Traditionen in einem ganz neuen Ort. Denn für die Schützenschwestern und -brüder steht fest, dass das Vereinsleben auch in Zukunft fortbestehen wird.

Während der Projektlaufzeit gab es mit dem vorgezogenen Ausstieg aus der Kohleverstromung auf politischer Ebene einen entscheidenden Richtungswechsel. Die Kohle unter Keyenberg wie auch seiner Nachbarorte wird nicht mehr abgebaut. Der Großteil der Bewohner*innen war zum Zeitpunkt dieser Entscheidung jedoch bereits umgesiedelt. Was zukünftig mit dem alten Ort geschieht, ist weiterhin ungeklärt.

Obgleich meiner Erfahrung mit interviewbasiertem Film stellt die Keyenberg-Trilogie für mich ein besonderes Projekt dar, denn über die mehrjährige ethnografische Begleitung entstand ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Protagonist*innen vor der Kamera und uns, dem Filmteam. In den zahlreichen Interviews und Gesprächen – über die Herausforderungen eines Vereins im Wandel, das Abschiednehmen und die Zukunftsperspektiven, ihre eigene Handlungsmotivation sowie ihr persönliches Heimatverständnis – teilen die Menschen die Krisensituation, in der sie sich befinden, und wie sie diese bewältigen, ein Stück weit mit mir.

Für das entgegengebrachte Vertrauen und ihre Geschichten, die die Filmerzählung tragen, bedanke ich mich als Forschende herzlich!

Alle drei Filmteile gibt es online auf unserem Youtube-Kanal zu sehen.

Viel Spaß beim Reinschauen!

Andrea Graf