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„Die Frau ist beim Glatzenschneider – ihr werden die Flusen gestutzt!“
Die PALAVA App und Einblicke in ihre Auswertung
Seit über einem Jahr arbeiten mein Team und ich an der PALAVA-App. Dabei handelt es sich um ein Kooperationsprojekt des Sprachteams unseres Instituts und der LWL-Kommission für Mundart- und Namenforschung. PALAVA ist eine App für das Smartphone, mit der wir Sprachdaten zur Alltagssprache der Menschen in Nordrhein-Westfalen erheben. Seit Juni dieses Jahres ist PALAVA zum Mitmachen in den Appstores zu finden und verzeichnet mittlerweile über 4000 Nutzer*innen (natürlich stets mit Luft nach oben). Über die Aufnahme-Funktion des Smartphones können die Benutzer*innen zu unterschiedlichen, abwechslungsreichen Fragen Sprachaufnahmen machen, immer mit der Möglichkeit, nicht nur die eigenen Aufnahmen, sondern auch die der anderen auf einer sprechenden Sprachkarte anzuhören.
Doch dabei soll es nicht bleiben: Zweck von PALAVA ist es, mehr Wissen zur sprachlichen Vielfalt in NRW zu erhalten. Und sobald wir dieses Wissen durch die vielen Antworten unserer sprachinteressierten NRWler generiert haben, wollen wir es selbstverständlich mit der Öffentlichkeit teilen.
Um erste Ergebnisse vorzubereiten, haben wir vor Kurzem damit begonnen, uns die Antworten zu den ersten der aktuell 108 Fragen anzuhören, aufzuschreiben und gegebenenfalls direkt mit Informationen anzureichern. Dieser Prozess, das Mündliche ins Schriftliche zu übertragen, heißt in der Sprachwissenschaft Transkription; die Anreicherung der Daten nennt sich Annotation. Vielleicht können Sie es sich vorstellen: Da sitzt man nun vor dem PC und hört sich Hunderte von Antworten hintereinander zu ein und derselben Frage an. Eine solche Aufgabe kann manchmal auch etwas ermüdend sein. Wie gut also, dass Sprache – ja, auch unsere Alltagssprache in NRW, die wir gern als Standard- oder Hochdeutsch bezeichnen – so wunderschön vielseitig ist. Denn beispielsweise zu dem Textil, mit dem man sich nachts zudeckt, sagt nicht jeder unbedingt Decke oder Bettdecke. Für viele ist es stattdessen das Plümo (bei manchen heißt es nur im Winter so), andere sagen etwa Oberbett, Zudecke oder Laken. Und das ist lange nicht alles!
Gelegentlich sind auch lustige Antworten dabei, die einen aus der strengen Konzentration herausreißen. Und von Zeit zu Zeit können wir als Sprachwissenschaftler*innen etwas lernen, wenn wir ein Wort transkribieren, das wir selbst noch nie gehört haben.
Um Ihnen einen kleinen Einblick in unsere Arbeit zu gewähren, lesen Sie hier unsere bisherigen Antwort-Highlights:
Bei vielen Fragen in der App sind Bilder mit Fragen kombiniert. In einem Fall ist eine dunkelhaarige Person von hinten zu erkennen, der die Haare geschnitten werden. Die zugehörige Frage, „was mit der dunkelhaarigen Person gerade passiert“, beantwortete eine Person mit dem Satz „Die Person ist beim Glatzenschneider. Ihr werden die Flusen gestutzt.“ Eine weitere antwortete „Die kriegt die Murmel geschrubbt.“ Wie ernst gemeint die Antworten sind, werden wir später einordnen müssen. Erheitert hat es uns in jedem Fall!
„Was passiert mit der dunkelhaarigen Person?“ Die Antworten sind vielfältig. (Foto: Pixabay)
Für das Textil für die Nacht gibt es wie bereits erwähnt viele Begriffe. Einige davon schreibt man immer und immer wieder in das Antwortfeld. Wenn dann plötzlich nach mehreren Hundert Antworten das Wort Püll auftaucht, kann man dies vorschnell für eine Scherzantwort halten. Oder vielleicht für einen Begriff, der nur in einer Familie verwendet wird? Man geht der Sache nach und siehe da: Laut dem Rheinischen Wörterbuch ist Püll ein Synonym für Oberbett. Wieder was gelernt!
Manchmal lässt sich allerdings schwer feststellen, ob es sich um eine ernst gemeinte Antwort, um einen Spaß oder vielleicht sogar um einen Versprecher handelt. So antwortete eine Person auf die Frage, wie sie einen starken Regen nennt, mit „Es strömt in Gießen.“ Schwierig in der Auswertung – dennoch lustig!
Eine Kollegin, die Antworten zur Benennung einer abgebildeten Schnake transkribiert, hat mit uns die Begriffe Hubschrauber und Schneiderwibbel als ihre Favoriten geteilt. Diese verspielten Wörter können die Kollegin vielleicht darüber hinwegtrösten, dass sie den in ihrer Familie verwendeten Begriff Mückenopa bisher nicht gehört hat. Aber wer weiß: Noch kommen täglich neue Antworten hinzu – und vielleicht ja die eine oder andere Überraschung!
Shirin Sauter