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Christian und Konsorten: Familiennamen aus dem Rufnamen Christian

Heilige und ihre Anhänger sind schon immer eine Quelle für zahlreiche Rufnamen gewesen; so heißen bereits im 12. Jahrhundert viele Männer Johannes oder Gregor, Frauen hingegen Magdalena oder Katharina und auch heute noch sind diese Namen verbreitet. Auch Christian ist ein solches Beispiel. Schon im Mittelalter war der Name Teil der deutschen Namenskultur; er geht zurück auf lateinisch Christīanus 'zu Christus gehörend, Anhänger Christi, Christ', das wiederum von griechisch Christós 'der Gesalbte' stammt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erhielten viele Jungen nach der Geburt den Rufnamen Christian, mittlerweile ist er immer noch häufig anzutreffen, allerdings deutlich seltener als noch vor einigen Jahrzehnten (vgl. beliebte-vornamen.de). Christian dient in Deutschland aber nicht nur als Rufname, sondern ist auch Grundlage zahlreicher Familiennamen.

Familiennamen aus dem Rufnamen Christian in verschiedenen Schriftarten und –größen in einer Wolke Wortwolke "Familiennamen aus Rufnamen Christian" erstellt mit WordArt.com [URL: https://wordart.com/create]

Familiennamen, die aus dem Rufnamen Christian entstanden sind, gehören zumeist zu den Patronymen ‒ Namen also, die vom Rufnamen des Vaters abgeleitet sind. Bei einzelnen Varianten der Familiennamen kann es sich auch um sogenannte Übernamen handeln, wenn etwa der Aspekt, dass es sich um eine christliche Person handelt, im Vordergrund stand bei der Vergabe des Namens. Einige dieser Familiennamen sind überall in Deutschland zu finden, so etwa zum Beispiel Christ/Krist, Christen/Kristen, Christiansen oder Kersten. Andere wiederum sind typisch für eine bestimmte Region. Auch im Rheinland sind mehrere Varianten der Familiennamen, die auf Christian zurückgehen, zu finden; einige davon sind gar exklusiv rheinisch und nirgendwo anders in Deutschland belegt.

Besonders rheinisch sind etwa Familiennamen, die eine Diminutivendung (= Verkleinerung) wie -gen, -jen oder -ken aufweisen. Auch für Familiennamen, die auf Christian zurückgehen, finden sich zahlreiche Belege, häufig ergänzt mit einer alten Genitivendung (in den folgenden Fällen dem starken Genitiv auf -s): Kerstgens, Kerstjens, Körstgens, Kürstgens, Kerschgen(s), Kirschgen(s), Kersken(s) (wobei bei den letzten drei Namen auch Formen von 'Kirsche‘ zugrunde liegen können) sind nur einige Beispiele. Andere Familiennamen weisen zwar dieselbe Bildungsweise auf, allerdings wurde in ihnen das -n- getilgt, sodass Familiennamen wie Kerstges, Kerskes oder Kersjes entstehen.

Patronyme werden im Rheinland häufig durch die Endungen (= Suffixe) -en oder -s gebildet. Bei diesen handelt es sich um alte Genitivendungen, die aus Konstruktionen wie Jan Otten Sohn oder Jan Frings Sohn entstanden sind. Mit der Zeit ist der Zusatz Sohn entfallen, die Form Otten (von Otto) oder Frings (von Severin) ist jeweils erhalten geblieben und zeigt die Zugehörigkeit zum Vater an. Auch bei den rheinischen Familiennamen aus Christian finden sich einzelne Beispiele wie etwa Korsten.

Eine andere Möglichkeit, Zugehörigkeit auszudrücken, ist die Endung -ing, die teilweise auch im Rheinland zu finden ist (vgl. etwa Kolping). Dabei kann mit diesem Suffix sowohl Verbundenheit zu einer Person als auch zu einem größeren Verbund wie einer Sippe oder zu einem Hof/Haus ausgedrückt werden: Kärsting oder Korsting sind einige Beispiele im Rheinland, bei Kerstings wurde zudem wiederum die Genitivendung -s angefügt.

achteckige Plakette mit einem Selbstbildnis des Malers Georg Friedrich Kersting mit Namensschriftzug und Jahreszahl 1814 Typisch rheinischer Name, wenn auch nicht selbst aus dem Rheinland: Georg Friedrich Kersting; gemeinfreies Selbstbildnis des Malers

Deutlich seltener sind in der rheinischen Namenlandschaft hingegen Varianten wie Christiansen/Kristiansen anzutreffen. Familiennamen dieser Art, die auf -sen enden, finden sich hauptsächlich im nördlichen Schleswig-Holstein und dann in Dänemark, vereinzelt auch am nördlichen Niederrhein und dann in den Niederlanden. Sie sind entstanden aus ehemals nachgestelltem Sohn entstanden, das verschliffen zu -sen wurde und Abstammung ausdrückt, können aber auch eine Kombination von starker und schwacher Genitivendung, die dem Rufnamen folgen, darstellen (Christian + s + en).

Auffällig ist neben den unterschiedlichen Endungen auch die Vielzahl der Schreib- und Lautvarianten bei Familiennamen von Christian. Formen wie Kerstgens oder Kerstings liegt zunächst eine Vertauschung von i und r (= r-Metathese) zugrunde, die auch bei anderen Namen wie Kirsten > Kristin oder etymologisch verwandten Wörtern wie Born und Brunnen auftritt. An diesen Wandel schloss sich ein weiterer: Im Mittelniederdeutschen wurde ein i vor r zu einem e, später dann zu einem a gesenkt (Christian > Kirsten > Kersten > Karsten), sodass Formen wie Kerstgens oder Kerstings entstehen konnten. Auch den typisch rheinischen Varianten Korsten oder Körstgens liegt zunächst die Metathese, dann ein weiterer Lautwandel zugrunde. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden sie durch Rundung des Stammvokals, das erste i von Christian wurde zu einem ö, ähnlich wie bei mittelhochdeutsch zwelf > neuhochdeutsch zwölf.

Sarah Puckert

Literatur: