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Weihnachten - eine Wortgeschichte

Weihnachten — im Dezember vergeht wohl kaum ein Tag, in dem man dieses Wort nicht hört, liest oder ausspricht. "Oh je, in drei Wochen ist Weihnachten und ich habe noch gar nicht alle Geschenke!", "Wie werden wir Weihnachten in diesem Jahr wohl feiern können, mit all den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie?", aber hoffentlich auch "Juhu, bald ist Weihnachten!". Dem Wort an sich wird dabei meist wenig Beachtung geschenkt, wichtig ist, wofür es steht. Das wollen wir heute einmal ändern und uns Weihnachten wortgeschichtlich näher anschauen: Seit wann wird das Wort überhaupt verwendet? Und wie ist es entstanden?

Ausschnitt aus einer mittelalterlichen Handschrift 'er ist gewaltic unde starc, der ze wîhen naht geborn wart', Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), fol. 417r, Zürich, ca. 1300 bis ca. 1340

Obwohl sich Weihnachten seit seiner Entstehung lautlich verändert hat, kann man auch heute noch erkennen, dass hier ursprünglich zwei Wörter zu Grunde liegen, die wir immer noch einzeln verwenden: weihen und Nacht. Einer der frühesten Belege für das Wort stammt aus einer Handschrift aus dem 12. Jahrhundert: heiʒet si diu wîhe naht ('sie heißt die heilige Nacht'). Bei dieser frühen Verwendung kann man also noch gar nicht von einem Wort sprechen, vielmehr handelt es sich um eine feste Formel, d.h. um mehrere Wörter, die immer in der gleichen Abfolge zusammen verwendet werden. Am häufigsten tritt die Formel im Dativ Plural auf: (ze den) wihen nahten ('[zu den] heiligen Nächten') ist in Texten aus dem 12. und 13. Jahrhundert zumeist zu lesen. Das Adjektiv wīh, wīch 'heilig' gibt es heute nicht mehr, wohl aber das verwandte Verb weihen 'durch eine religiöse Handlung heiligen, jmd./etw. zu religiösen/gottesdienstlichen Zwecken bestimmen'. Das Wort Nacht kennen und nutzen wir selbstverständlich noch, der Vergleich mit der mittelhochdeutschen Form nahten zeigt aber, dass sich die Pluralform lautlich verändert hat. Im Mittelhochdeutschen wurden die Dativ- und Genitivpluralformen des Wortes meist noch nicht mit dem Umlaut ä gebildet, dieser wurde erst später von den Pluralformen der anderen Fälle übertragen. Auch die Schreibung hat sich verändert: Früher wurde der ch-Laut in bestimmten Wörtern, so auch in naht, nur mit dem Buchstaben h wiedergegeben.

Foto: Lebkuchenherz mit der Aufschrift Frohe Weihnachten Foto: LenDog 64, CC BY-ND 2.0

Ab dem 14. Jahrhundert begegnet in den Texten immer öfter die zusammengezogene (kontrahierte) Form wīhenachten. Dies ist eine häufige Entwicklung bei Wörtern, die viel gemeinsam verwendet werden: Im Laufe der Zeit verschmelzen sie zu einem Wort. In frühneuhochdeutscher Zeit (etwa 1350 bis 1650) setzt dann eine weitere Entwicklung ein, die das Wort lautlich endgültig so klingen lässt, wie wir es heute kennen: die frühneuhochdeutsche Diphthongierung. Im Zuge dieses Sprachwandels verändern sich viele alte mittelhochdeutsche Langvokale zu Diphthongen: mūs zu Maus, mīn zu mein und eben wīhenachten zu Weihnachten. Die aus dem Dativplural entstandene Form ist bis ins 18. Jahrhundert die üblichere, seitdem wird häufiger auf die Singularform Weihnacht verwendet (vereinzelt kommt sie aber bereits seit dem 14. Jahrhundert vor). Diese Form wird zu Beginn sowohl mit femininem (die), männlichen (der) als auch sächlichem (das) Artikel verwendet; heute hat sich der neutrale Artikel das durchgesetzt, vermutlich in Anlehnung an die Zusammensetzung das Weihnachtsfest.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen gesegnete 'heilige Nächte': Frohe Weihnachten!

Charlotte Rein

Literatur: