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Rheinische Keramik: Bartmannkrüge

Wenn wir eine Tasse für unseren Kaffee oder Tee aus dem Schrank nehmen, halten wir oftmals ein Stück Kultur-, respektive Handwerksgeschichte in der Hand. Ob Dachziegel oder Waschbecken, keramische Erzeugnisse gehören seit Jahrhunderten zu unserem Alltag und sind ein fester Bestandteil kultureller Praktiken. So wird in einigen Haushalten alljährlich in der Adventszeit das „gute Geschirr“ für die kommenden Festtage hervorgeholt.

Mehrere Bartmannkrüge in einer Vitrine. Abbildung 1: Frechener Bartmannkrüge, 15.-17. Jh., Dauerleihgabe der Stadt Frechen, Stiftung Keramion, Foto: Esra Kalkan, 2021. (Mit freundlicher Genehmigung der Museumsleiterin des Keramion, Frechen 2021

Während die Herstellung von Porzellan im europäischen Raum erst um 1710 in Dresden gelang, wurden bereits um das erste Jahrhundert n. Chr. im Rheinland Tonwaren hergestellt. Da das Rheinland ein oberflächennahes Tonvorkommen aufwies, konnte man ohne großen technischen Aufwand Ton aus Gruben gewinnen und verarbeiten. Durch archäologische Ausgrabungen wurden neben Tonscherben auch sogenannte Feldbrand- und Grubenöfen gefunden, welche beispielsweise durch Methoden der Dendrochronologie und der Radio-Karbon-Methode (C14) datiert werden können. [1]

Dass das Rheinland eine Hochburg für keramische Erzeugnisse war, ist erst seit dem späteren 19. Jahrhundert durch die Erforschung der immer größer werdenden Sammlungsbestände der Renaissance und des Barock in England und den Niederlanden bekannt.[2] Vor allem Steinzeug aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit aus den Töpferzentren Frechen, Aachen, Langerwehe, Raeren, Köln, Siegburg und aus dem Westerwald waren sehr populär. Durch die europäische Expansion und der damit verbundenen Handelstätigkeiten gelangte Rheinisches Steinzeug nach Amerika und Afrika. Neben Vorratsgefäßen und Trinkkrügen, die mit Ritzornamenten und Rillen eher einfach gehalten sind, stechen Gefäße mit Reliefauflagen in Form von Tier- und Pflanzenmotiven, aber auch Sinnsprüchen, hervor.

Bartmannkrug mit Spruchband. Abbildung 2: Frechener Bartmannkrug, um 1540, Spruchband: DRINCK VN EST GOTS NIT FERGES, Bodenfund Frechen, salzglasiertes braunes Steinzeug, Dauerleihgabe der Stadt Frechen, Stiftung Keramion. Aus: Kleine, Dorette: Museum. Keramikmuseum Frechen. Georg-Westermann-Verlag , Braunschweig 1992, S. 76.

Ein berühmtes Beispiel der Renaissance ist der sogenannte Frechener Bartmannkrug, der ein mit Gesichtszügen verziertes, kugel- oder birnenförmiges Trink- oder Ausschankgefäß bezeichnet (Abb. 1). Die Bezeichnung ist Programm: Meist am Hals der Krüge befindlich sehen wir en face-Darstellungen von naturalistisch, ernsten und ebenen bis fratzenhaften flüchtig aufgetragenen (Ende 16. Jahrhundert) Gesichtern mit langen Haupt- und Barthaaren. Häufig werden die teils maskenhaft wirkenden Gesichter an den Krughälsen von Wappenauflagen, Eichenlaubranken- oder Akanthusblatt-Dekor oder Spruchbändern auf den Bäuchen der Krüge (Abb. 2) begleitet.[3] Die Industrialisierung des Ton- und Braunkohleabbaus ab dem frühen 19. Jahrhundert und der die damit verbundenen Errichtung der Kleinbahn von Frechen nach Köln begünstigte den wirtschaftlichen Aufschwung Frechens zu einer modernen Gemeinde, mit der gleichzeitig die Möglichkeit kulturellen Engagements einherging.[4] So sammelte der Steinzeugunternehmer Dr. Gottfried Cremer bereits ab den 1950er Jahren vor allem zeitgenössische Keramik, die seit 1971 im von der Cremer-Gruppe finanzierten und gebauten Museum Keramion in Frechen ausgestellt ist. Mit der Gründung der gleichnamigen Stiftung im Jahr 2002 wurde der historische Bestand des Städtischen Keramikmuseums Frechen mit dem bis dato Privatmuseum Keramion zusammengeführt.

Esra Kalkan, 2021

Anmerkungen

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[1] Siehe zu Methoden der Datierung: Eric Biermann: Alt- und Mittelneolithikum in Mitteleuropa. Untersuchungen zur Verbreitung verschiedener Artefakt- und Materialgruppen und zu Hinweisen auf regionale Tradierungen. Köln 2001 (Überarb. 2003); Erich Claßen; Tegtmeier, Ursula: Siedlungen der Bandkeramik bei Königshoven. In: Jürgen Kunow (Hg.): Rheinische Ausgrabungen. Bd. 64, Landschaftsverbandes Rheinland. LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Philipp von Zabern, Darmstadt 2011.

[2] Vgl.: Kessler, Gerd: Das Rheinische Steinzeug der Renaissance und des Barock I-IV. In: Bernd Pfannkuche (Hg.): Sonderdruck aus Neue Keramik - Das internationale Keramikmagazin. Ausg. 1, 2, 3, 4. Verlag Neue Keramik GmbH, Höhr-Grenzhausen 2005, S. 1-8. Kessler gibt hier als Begründung das fehlende Interesse der Sammler*innen an der Herkunft der Keramiken an. Es ist denkbar, dass das Interesse an der Provenienzforschung mit den wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften einherging. Denn ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten viele wissenschaftliche Disziplinen im Zuge der Aufklärung neue Methoden der Klassifikation zugunsten der Objektivität und Exaktheit.

[3] Petri, Belinda: Rheinische Keramik. In: Projekt Rheinische Keramik, Frechen 2006. (http://new.heimat.de/rheinische_keramik/forum/publikationen/pdfs/aufsatz.pdf 23.11.2021).

[4] Vgl.: Kleine, Dorette: Museum. Keramikmuseum Frechen. Georg-Westermann-Verlag, Braunschweig 1992.

Quizfrage

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