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„Wüthender Sturm“ statt Winterpause. Ein vorweihnachtlicher Blick auf ein rheinisches Egodokument des 19. Jahrhunderts
Einträge in Friedrich Baudris Tagebuch, Historisches Archiv des Erzbistums Köln
Im Haus des bekannten Kölner Glasmalers und Politikers Friedrich Baudri verlief die eigentlich erholsame Zeit nach den Weihnachtsfeiertagen im Jahr 1868 alles andere als angenehm. Für einen Wintermonat war es viel zu warm und regnerisch; das kommt einem bekannt vor. Obendrein hatte ein „wüthender Sturm“, über den auch die Kölnischen Blätter – die Vorgängerin der Kölnischen Volkszeitung – berichteten, im Hause Baudri unerwünschte Spuren hinterlassen. Die Windböen hatten in seinem Kamin „die Flamme u[nd] den Rauch zum Ofen“ hinausgeschlagen und in seinen Räumlichkeiten einen großen Brand verursacht, nachdem eines seiner Hemden und seine Zeitungen Feuer gefangen hatten. Die Tage bis zum neuen Jahr verbrachte der politisch und gesellschaftlich viel beschäftigte Baudri daher neben Besprechungen über neue Geschäftsaufträge und Entwicklungen im regionalen Katholizismus vor allem mit Verhandlungen mit den zuständigen Versicherungsagenten. Substanzielle Schäden an seiner vielbeachteten Glasmalereiwerkstatt waren nicht zu verzeichnen, auch wenn einige Gegenstände (darunter auch manche laufenden Arbeiten und Zeichnungen) verbrannten. Es war „Glück beim Unglück“, wie Baudri am 28. Dezember in seinem Tagebuch festhielt.
Das nachweihnachtliche „Unglück“, von dem wir in seinen Tagebüchern erfahren, markierte eine Zeit, in der Baudri durch sein vielfältiges politisches Engagement als Kölner Stadtverordneter, Vorkämpfer des Ultramontanismus und späterer Abgeordneter im preußischen Abgeordnetenhaus und im Deutschen Reichstag zunehmend den eigenen Betrieb vernachlässigte. Das Auftragsvolumen des Baudrischen Unternehmens verringerte sich zwischen 1868 und 1871 beträchtlich. Der umtriebige Kölner hatte sich neue Schwerpunkte gelegt. Als papsttreuer Repräsentant des politischen Katholizismus begrüßte Baudri die Ergebnisse des I. Vatikanischen Konzils und schaltete sich immer häufiger direkt in das politische Geschehen der Region ein. Er organisierte Massenkundgebungen zugunsten des Heiligen Stuhls und sah die Entstehung eines kleindeutschen Reiches unter kulturprotestantischem Vorzeichen äußerst skeptisch.
Einen Eindruck über die 1868 beginnende bedeutsame Phase der Reichsgründung und der anschließenden Konflikte zwischen Staat und katholischer Kirche aus der Perspektive eines rheinischen Katholiken kann man aus dem vierten Band der Tagebücher Friedrich Baudris gewinnen. Erst ist Teil der vierbändigen Reihe, die Ernst Heinen und Ludwig Gierse im Auftrag der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde erarbeitet haben.
Umschlag des vierten Editionsbandes (1868-1871) der Tagebücher Friedrich Baudris (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde LXXIII)
Seit ihrer Gründung im Jahr 1881 fördert die Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde die Erforschung der rheinischen Geschichte durch die Veröffentlichung von Quelleneditionen, Sammlungen und Forschungen und fungiert zugleich als Historische Kommission für das Rheinland. Ein Teil ihres Editionsprogramms sind rheinische Egodokumente. Neben der jüngst erschienen Tagebuchedition Baudris erschienen zum Beispiel die Tagebücher des Kölner Politikers und Schriftstellers Eberhard von Groote aus den Jahren 1815 und 1816. Weiter Projekte sind in Arbeit!
Wenn Sie mehr über Friedrich Baudri erfahren möchten, lesen Sie gerne unseren Beitrag im Portal Rheinische Geschichte: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/friedrich-baudri-/DE-2086/lido/57c5751bb7f572.76154765
Weitere Informationen über die Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde finden Sie ebenfalls online: https://rheinische-geschichte.lvr.de/GRhG
Gewinnspielfrage
Welchen Beruf übte Friedrich Baudri neben seiner politischen Karriere aus?
Die richtige Antwort senden Sie bitte an: keywanklaus.muenster@lvr.de