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Die Weihnachtsansprachen Konrad Adenauers als Bundeskanzler

Bundeskanzler Konrad Adenauer [1951] (BArch, B 145, Bild-P000456/CC-BY-SA 3.0)

Heiligabend 1951! Es war stille geworden im Hause. Die Kerzen am Christbaum waren verlöscht bis auf wenige, die mit ihrem Schein alles, den Christbaum, die Krippe, den Gabentisch, geheimnisvoll erhellten. Ein tiefes Nachdenken überkam mich, die Erinnerung an vergangene Weihnachten. Ich sah mich wieder als Kind mit meinen drei Geschwistern im Elternhause.

Mit diesen nachdenklichen Worten leitete Konrad Adenauer seine dritte Weihnachtsansprache als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland am 25. Dezember 1951 ein. Adenauer sprach über den Rundfunk zu seinen Landsleuten. Die Aufnahme erfolgte wenige Tage vor den Feiertagen. Der Wortlaut der Ansprachen wurde nachträglich in den Zeitungen und über den Bundespressedienst abgedruckt. Vom Jahr 1953 an strahlte die Deutsche Welle zudem eine eigens für die Deutschen im Ausland abgefasste Weihnachtsansprache des Bundeskanzlers aus.

Bis in das Jahr 1969 war die Rede am 1. Weihnachtstage die Aufgabe des Regierungschefs, während der Bundespräsident am Silvesterabend das Wort an die Bevölkerung richtete. 1970 tauschten Gustav Heinemann und Willy Brandt den Sendetermin. Fortan wünschte das Staatsoberhaupt am 25. Dezember aus der Villa Hammerschmidt „Frohe Weihnachten“. Weihnachts- und Neujahrsansprache gehören ungeachtet dieses Wechsels bis heute zum festen Repertoire wiederkehrender staatlicher Rituale in Deutschland.

Inhaltlich erstreckten sich Konrad Adenauers Radioansprachen in einem weiten Bogen von persönlichen Weihnachtserinnerungen und christlichem Innehalten bis hin zu tagespolitischen Fragen. Seine Weihnachtsansprache aus dem Jahr 1951 ist ein treffliches Beispiel: Nach den oben zitierten einleitenden Worten ließ der damals 75-jährige Bundeskanzler die Zuhörerinnen und Zuhörer teilhaben an seinem Rückblick auf die Advents- und Weihnachtszeit als Kind in Köln, als junger Familienvater und als politisch Geächteter im Nationalsozialismus. Das Zueinanderkommen der stetig wachsenden Familie an der barocken Krippe im Haus in Rhöndorf bedeutete Adenauer eine wichtige jährliche gleichbleibende Konstante während der Feiertage. Das holzgeschnitzte Figurenensemble hatte er einst gebraucht gekauft.

Eine Zäsur muss hingegen das Weihnachtsfest 1933 gewesen sein. Im Frühjahr hatten die Nationalsozialisten Adenauer als Kölner Oberbürgermeister abgesetzt und wegen seiner politischen Gegnerschaft mehrere fingierte Gerichtsverfahren gegen ihn angestrengt. Seit April 1933 versteckte er sich deshalb in der Benediktinerabtei Maria Laach in der Eifel. Rückblickend fragte sich Adenauer rhetorisch, ob das nicht das schönste meiner Weihnachtsfeste war. Den Gottesdienst habe er noch in lebhafter Erinnerung: Die Kirche war übervoll […]. Alle waren hingegeben dem großen Geheimnis, das gefeiert wurde. Die persönliche Notlage konnte er an diesen Tagen ausblenden.

Im Anschluss an seine Reflexion der jüngeren Vergangenheit appellierte er an die Solidarität mit den Mitmenschen in der postfaschistischen und kriegsversehrten Gegenwart. Trotz allem Kampf, trotz allem Hader sind wir ja doch eine Gemeinschaft. Das Geschick eines jeden von uns ist fest und unlösbar mit dem Geschick aller verbunden. Das wollen wir uns vor Augen halten. Schrankenlose, hemmungslose Ichsucht, Sucht nach Betrieb und Genuss, so ermahnte der Bundeskanzler in - für den heutigen Leser - pastoralem Duktus die Deutschen, bringen kein Glück.

Zum Abschluss präsentierte er einen Ausblick auf das kommende Jahr 1952. Was wird das Jahr 1952 uns, Europa, der Menschheit bringen? Werden wir endlich Frieden bekommen? […] Sicher kann man das nicht in Zeiten wie den unseren, in denen diese schreckliche Unruhe und Zwietracht die ganze Menschheit ergriffen hat. Aber das kann ich doch sagen: Weihnachten 1950 war der Friede der Welt gefährdeter, viel gefährdeter als Weihnachten 1951. So dürfen wir mit Recht hoffen, dass die gute Entwicklung des Jahres 1951 weitergeht im Jahre 1952. Seine Hoffnung leitete der Bundeskanzler, sechs Jahre nach Kriegsende, von der europäischen Verständigung mit den ehemaligen Kriegsgegnern im Westen ab. Gemeinsam mit Frankreich, Italien und den Benelux-Ländern arbeitete die Bundesrepublik auf ein Gemeinschaftswerk hin, aus dem sich die Europäische Union entwickeln sollte. Adenauer verstand es, die Friedensbotschaft von Weihnachten geschickt mit seinem außenpolitischen Hauptanliegen, der Westintegration der Bundesrepublik, zu verknüpfen. Der Krieg zerstörte alle menschlichen Werte, nur der Friede entwickelte sie, war vor 70 Jahren sein eingängiges Fazit.

Auch in anderen, insbesondere deutschland- und weltpolitisch brisanten Jahren thematisierte er politische Streitpunkte: die Folgen des Zweiten Weltkriegs für die Deutschen (Kriegsgefangenschaft, Vertreibung, deutsche Teilung) sowie die Bedrohungslage in Europa durch den Sowjetkommunismus. Es finden sich aber ebenfalls Weihnachtsansprachen, die den Schwerpunkt auf christliche Motive (Nächstenliebe) legen und (wenn überhaupt) nur am Rande die Politik bemühen.

Über die Biografie Konrad Adenauers können Sie auf unserem Portal Rheinische Geschichte mehr erfahren: Hier geht es zur Biografie

Alle Weihnachtsansprachen können Sie über das gemeinsame Internetportal von Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus und Konrad-Adenauer-Stiftung über Konrad Adenauer nachlesen: Hier geht es zu den Weihnachtsansprachen

Gewinnspielfrage

An welchem Ort verbrachte Konrad Adenauer das Weihnachtsfest im Jahr 1933?
Die richtige Antwort senden Sie bitte an: alexander.olenik@lvr.de

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