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„Mit Feuereifer“ im Einsatz für den Erhalt eines kulturellen Erbes
Siegfried Raimann und die Sammlung Bensberger Erzrevier
Siegfried Raimann im Steigerrock
Im November 2021 hatte uns Lothar Eschbach – Leiter des Bergischen Geschichtsvereins - zusammen mit Siegfried Raimann im Archiv des Alltags im LVR-ILR besucht. Anlass des Besuchs und Anliegen der beiden war es, das kulturelle Erbe des Bensberger Erzreviers für die Nachwelt zu erhalten.[1] In dieses Bergbaugebiet im Bergischen Land, das sich von Bergisch Gladbach über Engelskirchen bis nach Lohmar erstreckte, wurden über Jahrhunderte hinweg verschiedene Erze abgebaut, bevor es zum Ende des 20. Jahrhunderts vollständig stillgelegt wurde.
Als ehemaliger Bergmann in der Grube Lüderich im Herzen des Reviers, der 1957 seine Ausbildung als Steiger abgeschlossen hatte, in späteren Jahren als Oberstudiendirektor arbeitete, bevor er Bürgermeister von Overath und 2018 dort zum Ehrenbürger ernannt wurde, blieb Siegfried Raimann der Bergbaugeschichte dieser Region bis zuletzt sehr verbunden und organisierte jährlich bis zu 20 Exkursionen „auf den Spuren des historischen Erzbergbaus am Lüderich“ in Steinenbrück.
Auf der Schachthalde am ehemaligen Hauptschacht der Grube Lüderich steht heute ein Barbarakreuz, das den Bergleuten, als deren Schutzpatronin die Heilige Barbara gilt, gewidmet ist. Initiator und Bauleiter des 1997 errichteten Kreuzes war Siegfried Raimann. Foto: Siegfried Raimann/LVR, CC BY 4.0 (raim0024/Archiv des Alltags im Rheinland) Blick vom ehemaligen Förderturm am Hauptschacht der Grube Lüderich - im Hintergrund das 1997 errichtete Barbarakreuz. Heute befindet sich auf dem Gelände u. a. ein Golfplatz und eine Adventure-Minigolf-Anlage. Einmal jährlich findet hier zum kirchlichen Fest der Kreuzerhöhung eine Bergmesse statt. Foto: Siegfried Raimann/LVR, CC BY 4.0 (raim0009/Archiv des Alltags im Rheinland)
Über Jahrzehnte hinweg hat er eine große Zahl an Fotos und anderen Zeugnissen zum Bensberger Erzrevier – insbesondere zur Grube Lüderich – gesammelt, die er uns bei seinem Besuch in digitaler Form mitbrachte. Zu beinahe jedem der von ihm präsentierten Fotos konnte er ausführlich Hintergründe und Geschichten erzählen und die auf den Bildern zu sehenden Arbeitsschritte inklusive Namen der Bergarbeiter und Geräte erklären und benennen. Dieses unvergleichliche Wissen, über das Herr Raimann als letzter noch lebende Zeitzeuge verfügte, das er bis dahin jedoch zu großen Teilen noch nie verschriftlicht hatte, machte diese Sammlung für unser Archiv des Alltags im Rheinland so wertvoll. Gerne übernahmen wir so seinen Bestand und haben ihn nun langfristig gesichert.
Über Jahrhunderte wurde am Lüderich Erz abgebaut. Eine Auwahl von Fotos aus der Sammlung zum Bensberger Erzrevier.
Insgesamt gehören zur Sammlung mehr als 650 Fotos, daneben einige Textdokumente sowie einzelne weitere digitale Quellen wie beispielsweise ein Hauerschein. Von diesen haben wir eine Auswahl von knapp 200 Fotos und Dokumenten ausgewählt, die Herr Raimann selbst sukzessive ausführlich beschrieben und mit Metadaten versehen hatte. „Mit Feuereifer“ – so seine eigenen Worte bei diversen Telefonaten und E-Mails – hat er jedes der ausgewählten Fotos erschlossen und auf den Bildern zu sehende Vorgänge, Menschen, Werkzeuge und andere abgebildete Motive akribisch bis ins Detail erklärt und kontextualisiert. Nicht nur seine Fachkompetenz, sondern auch der bei ihm immer zu spürende Elan und seine Begeisterung sind in diesen Texten stets augenscheinlich.
Im September letzten Jahres konnte Herr Raimann seine Arbeit an den Fotos fertigstellen, wodurch wir glücklicherweise noch rechtzeig diesen nun tiefenerschlossenen Fotobestand zum Bensberger Erzrevier in unserer Datenbank langfristig sichern konnten. Veröffentlichungen aus diesem Bestand werden in naher Zukunft über unser Portale Alltagskulturen im Rheinland und KuLaDig erfolgen. Am 16. Mai, kurz vor seinem 90. Geburtstag, ist Herr Raimann verstorben. Wir werden ihn voller Dankbarkeit für seinen wertvollen Beitrag zum Erhalt des immateriellen kulturellen Erbes der Region in Erinnerung behalten.
[1] Bereits 2018 gab es Gespräche mit dem LVR, um ein gemeinsames Projekt zur Aufarbeitung des Bensberger Erzreviers ins Leben zu rufen. Ein solches wurde mittlerweile – unabhängig von aber zeitgleich zur Übernahme der Sammlung Bensberger Erzrevier durch das ILR – mit Mitteln der Regionalen Kulturförderung des LVR in Kooperation mit anderen Akteuren wie z. B. dem Bergischen Museum für Bergbau, Handwerk und Gewerbe auch verwirklicht.