LVR-Institut für Landeskunde
und Regionalgeschichte
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11. Et hät noch emmer jot jejange

Jeder, der heute diesen Satz liest oder hört, wird unwillkürlich an das "Rheinische Grundgesetz" denken. Vielleicht auch an das "Kölsche Grundgesetz", aber die Unterschiede zwischen beiden sind noch nicht erforscht. Warum sich diese zehn oder elf Artikel einer so großen Wertschätzung erfreuen – wer wüsste das zu erklären? An der sprachlichen Form kann es eigentlich nicht liegen. Denn Feststellungen wie "Et kütt, wie et kütt" oder "Jede Jeck es anders" sind bei genauerer Betrachtung doch eher Allerweltssätze. Sie lassen sich im 1:1-Verfahren ins Hochdeutsche übertragen: "Es kommt, wie es kommt" oder "Jeder Jeck ist anders".

"Et hät noch emmer jot jejange" – dieser Grundgesetzartikel hat es allerdings in sich. In der Schriftsprache würde er nicht mit "Es hat noch immer …" beginnen, sondern mit "Es ist noch immer …". Wer Bönnsch und Hochdeutsch spricht, hat zwei Wortschätze im Kopf, verfügt über zwei Lautinventare und über grammatische Regeln, die sich in vielen Fällen nicht decken. Oder: noch nicht decken, denn die hochdeutsche Grammatik hat den Dialekt immer mehr "infiltriert". Die heutigen Differenzen zwischen den bönnschen und den hochdeutschen Grammatikregeln sind nur der Rest ehemals stärkerer Abweichungen. Et hät noch emmer jot jejange – eine solche Äußerung ist auch für Beethovens Zeiten zu erwarten, nur dass statt der Zeitangabe "emmer" (emme?) mit "lutter" (lutte?) in derselben Bedeutung zu rechnen ist (siehe Folge 2).

In den 1930er Jahren erzählte ein Landwirt aus Brenig dem Bonner Forscher Josef Dietz eine merkwürdige Geschichte, die er, wie er betonte, selbst erlebt hatte: "Et ös mir ens jett passiët, wat ech mie Läwe net verjesse." So oder so ähnlich fangen viele Geschichten an. In diesem Fall ging es um besonders dicke Erdbeeren (Ärbele) und um ein ungewöhnlich heftiges Gewitter (Donnewedde), in das der Erzähler in "Derschterep" (Dersdorf) geriet, nachdem er Erdbeeren am Dreifaltigkeitssonntag geerntet und verkauft hatte. Auf seinem Erdbeerfeld sind im Anschluss daran drei Jahre lang keine Früchte mehr gewachsen, was der Landwirt als Strafe für seinen Sonntagsfrevel betrachtete. Seine Geschichte beendete der Breniger mit der Bekräftigung: "Su hät et mir jejange." Dass das Ganze für ihn "gut" ausgegangen ist, hat der Mann aus dem Vorgebirge nicht behauptet.