LVR-Institut für Landeskunde
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Wenn Konfetti über den Grabstein rieselt

Die bunte Vielfalt von Karneval und Trauer

Nach dem Tod eines geliebten Menschen entscheiden sich die Angehörigen oft für eine individuelle Gestaltung der Trauerfeier. In den Karnevalshochburgen ist das Abspielen von Karnevalsliedern oder das Werfen von Konfetti häufig zu finden. Die Angehörigen wollen so die „jecke Natur“, die Verbundenheit der verstorbenen Person zum Karneval würdigen.

Persönlichkeitsausdruck durch karnevalistischen Grabschmuck

. JW20250321007 Lappenclown- Skulptur auf dem Melaten-Friedhof in Köln

Karnevalsorden, -hüte, Schriftbänder oder Luftschlangen werden gerne verwendet, um das Grab verstorbener Karnevalistinnen und Karnevalisten zu schmücken. Auch nachhaltiges Konfetti wurde bereits in Gräber gestreut. Persönliche Gesten dieser Art helfen ein Bild der verstorbenen Person zu zeichnen. Die Verbundenheit zum Karneval begleitet einige Menschen besonders im Raum Köln, Bonn und Umgebung - Hochburgen des Rheinischen Karnevals - bis nach dem Tod. Deutlich wird diese Liebe zur fünften Jahreszeit bei einem Spaziergang über den Kölner Melaten-Friedhof: Das Grab der bekannten Karnevalssängerin Marie-Luise Nikuta schmückt beispielsweise aufgemaltes Konfetti. Neben den bunten Punkten befindet sich ein QR-Code, der zu einem Video führt, das mit einem ihrer Karnevalshits vertont ist. Einige Gräber weiter, wurde eine Grabskulptur eines lächelnden Lappenclowns errichtet.

Niemals geht man so ganz

JW20250321002 Dekoration des Grabsteins von Marie-Luise Nikuta

Eine Trauerrednerin und -begleiterin berichtet von der Begegnung mit Karneval in Ausübung ihrer Arbeit: Der Wunsch nach jecker musikalischer Begleitung kommt sowohl von Zugehörigen - mit dem Begriff erweitert die Trauerrednerin die direkten Angehörigen um Freunde - als auch von der verstorbenen Person selbst. Das kann das Lieblingslied zu Lebzeiten gewesen sein oder ein Stück mit zur Trauer passenden Textzeilen. In einer Trauerrede können diese Zeilen auch tröstende Botschaften vermitteln. Hierbei wird über den Karneval nur im Kontext mit der verstorbenen Person geredet, da diese im Mittelpunkt der eigenen Trauerfeier steht. Ein Klassiker wie „Niemals geht man so ganz“ von Trude Herr ist eine häufig gewählte Version. Fröhliche Karnevalsmusik sorgt gelegentlich für ein Schmunzeln oder Fußwippen. Die bekannten Textzeilen spenden Trost, weil sie sich auf Lebensfreude und das Genießen des Lebens im Diesseits beziehen. Wer zu Lebzeiten das Leben genossen hat, beispielsweise beim Karnevalfeiern, der kann mit Zufriedenheit auf ein erfülltes Leben blicken. Die Liedzeile „Loß mer leeve und leeve loße, loß mer dankbar sin för jede schöne Dag.“ aus dem Karnevalslied von Marie-Luise Nikuta drückt dies sehr gut aus.

Doch die Melodien der fünften Jahreszeit vermitteln nicht nur, wer der verstorbene Mensch war, sie erzeugen eine Gemeinschaft unter den Trauernden. Dieses durch viele Karnevalslieder transportierte Zusammengehörigkeitsgefühl kann eine große Stütze sein, auch über den Tag der Trauerfeier hinaus. Die Trauerrednerin betont, dass diese Verbundenheit, welche auf einer Trauerfeier mit Freunden und Familie gegenwärtig ist, wieder ins Gedächtnis gerufen wird sobald das dort gespielte Lied am Karneval wider ertönt. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit ist sowohl im Karneval als auch in der Trauer eine starke Emotion. Es ist jedoch nicht die einzige Emotion, die die Themen Karneval und Tod verbindet.

Karneval als Metapher für Tod und Trauer

So gesehen fungieren beide Lebensinhalte als gegenseitige Metapher: Im Karneval wird das Leben intensiv gefeiert, bevor am Aschermittwoch alles vorbei ist. Dann kommt der Abschied. Alles hat sein Ende. Damit verdeutlicht auch der Karneval, die Endlichkeit. Die Würdigung eines einzelnen Moments ist ebenso im Karneval als auch in der Trauer zu finden. Beim Feiern wird jeder Moment ausgekostet. Aus dieser Perspektive kann auch auf das Leben geblickt werden.

„Karneval zeigt das ja auch, alles darf so sein, wie es ist. Alle dürfen sein, ob sie jetzt Einhorn sind oder Clown, alle dürfen sein, wie sie sind. Und in der Trauer finde ich das eben auch. Alle dürfen sein, wie sie sind und wie es ihnen guttut.“ (Trauerrednerin im Gespräch vom 24.03.25)

Auf welche Art und Weise ein Mensch trauert, ist ebenso vielfältig und bunt wie Kostüme, Luftschlangen und Konfetti oder die Melodie eines zu Lebzeiten geliebten Karnevalliedes. Die Trauer auszuleben und nach eigenen Vorstellungen zu gestalten hat in der Alltagskultur des Rheinlands ebenso seinen Platz wie den Karneval individuell und ausgelassen zu feiern. Ganz nach dem Motto „levve un levve looße“.

Autorin: Julia Walter

Weiterführende Literatur