LVR-Institut für Landeskunde
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Winterspaß

Gesichtet: Kalte, weiße Männer aus Schnee ...!

Schneemann in einem Park An der Laufstrecke sagt ein Schneemann "Hallo" ... und gleich darauf noch einer ... und noch einer ...! Schneemann in Parklandschaft vor dem Bonner "Post-Tower". Kaum liegt eine dicke Schneedecke, können viele Menschen der Faszination des Schneemannbauens nicht widerstehen. (Beide Fotos: Gabriele Dafft/LVR)

Seit Donnerstag, 17.1.24, hat sich das Rheinland in eine weiße Winterlandschaft verwandelt. Bäume, geparkte Autos, Hausdächer, Gehwege – alles ist von einer dicken Schicht Puderzucker-Schnee bedeckt. Klar, für viele bringen die Schneemassen Ärgernisse des Alltags mit sich: Schneeschippen im Morgengrauen; den Weg zur Arbeit umorganisieren, weil der Bus nicht fährt; die Kinderbetreuung übernehmen, weil die Schulen geschlossen sind.

Schneemann mit Wollmütze, Brille und einer Luftschlange die um den Hals gewickelt ist. Jecker Schneemann bringt Farbe in die Winterwelt! (Foto: Gabriele Dafft/LVR) Aufgehübscht mit Schal und Mütze und als Farbtupfer zwei gelbe Blütenaugen (Foto: Gabriele Dafft/LVR)

Doch die weiße Idylle ist für viele auch Grund zur Freude, vermittelt der glitzernde Schnee doch eine ganz besondere Atmosphäre! Tief eingeschneit lässt sich die Umgebung plötzlich neu entdecken. Heute Morgen habe ich meine wärmsten Sportklamotten angezogen und war eine Runde laufen. Ich wollte die weiße Schneelandschaft genießen und außerdem bin ich für Abwechslung auf meiner üblichen Laufstrecke immer zu haben. So viel Schnee, der sogar liegen bleibt, das haben wir nicht oft in Bonn. Entlang des Rheins und im Rheinauen-Park sind mir dann mindestens fünf Schneemänner begegnet. Dabei fiel mir ein, dass meine Kollegin Katrin Bauer einen Beitrag über den Schneemann geschrieben hat. Darin lässt sich jetzt schnell noch mal nachlesen, was es mit den kalten, weißen Männern auf sich hat! Und damit Sie, liebe Leserschaft, das auch tun können, veröffentlich wir den Beitrag an dieser Stelle noch einmal. Schließlich ist heute sogar der "Welttag des Schneemanns" - passt!

(Gabriele Dafft)

Was steckt hinter der Faszination des Schneemannbauens? Darüber schreibt meine Kollegin Katrin Bauer.

Auf einem Berg haben sich ein Kind mit Skiern und Skistöcken und eine Frau im Schnee für ein Foto positioniert. In ihrer Mitte steht ein Schneemann mit Hut. Einer der Skistöcke ist an ihn gelehnt. Das Kind und die Frau lachen in Richtung Kamera. Im Hintergrund erstreckt sich ein Bergpanorama. Stolz wird der fertige Schneemann präsentiert. Lizenzangabe: LVR-Archiv des Alltags im Rheinland, 20141813-005_crop_, Sammlung Vahrenbrink

Katrin Bauer: Spaß im Schnee

Drei feste Schneekugeln unterschiedlicher Größe, eine Karotte, ein Topf und ein Besen aus Reisig, vielleicht noch Augen aus Kohlestücken oder Steinchen – das sind die klassischen Zutaten für den Bau eines Schneemanns. Und wahrscheinlich hat fast jeder von uns schon einmal einen gebaut, als Kind vielleicht, als die Winter nicht nur subjektiv auch bei uns schneereicher und kälter waren. Heute beobachten einen die Schneemänner und auch –frauen eher von den Scheiben an KITAS oder Kinderzimmern, die dort mit Fingerfarben aufgemalt wurden. Aber fällt dann mal Schnee, dann machen sich die großen und kleinen Baumeister an die Arbeit. Zuletzt fielen die Schneemännner im Corona-Winter 2022 auf, als im strikten Lockdown Schulen und KITAS geschlossen blieben, war die Freude über Schnee im Rheinland groß! Fast pünktlich zum Schneemanntag fielen auch im Rheinland dank Tief Erhan die Schneeflocken vom grauem Winterhimmel, „auch abseits der Bergregionen lösten im Flachland kurze Schnee-Episoden hin und wieder Winterfreude aus“(1) . Die WN titelte „Schnee in Nottuln. Riesige Freude über die weiße Winterpracht (…) Eine willkommene Abwechslung in der Corona-Tristesse.“(2) Und tatsächlich sah man allerorts Schneemänner- und -frauen entstehen. Dem gesellschaftlichen Trend und der augenzwickernden Verarbeitung der pandemischen Situation folgend, häufig mit Maske vor der Schneemannnase. Überhaupt ist der Schneemann kulturhistorisch interessant, kann man an ihm und seiner Genese doch gesellschaftliche Entwicklungen ganz unmittelbar ablesen.

Zunächst war der Schneemann der personifizierte Winter, der in Gemälden und Büchern visualisiert wurde, eher als finstere Figur, denn als Kinderfreund. Eine Figur namens „Schneemann“ taucht dann erstmals 1770 in der Liedersammlung für Kinder von Christian Felix Weiße, einem damals überaus bekannten und erfolgreichen Autor und einem der Vorreiter der deutschen Kinder- und Jugendbuchliteratur auf. In dem kurzen Text mit dem Titel „Schneemann“ heißt es:

„Der schöne Schneemann – eh wie groß! Ein riesenmäßiger Koloss! Doch ach! Die liebe Sonne scheint, und er zerrinnt, eh man`s gemeint. Ihm gleicht ein eitler, leerer Kopf, von weitem glänzt der arme Tropf: Doch der Verstand beleucht` ihn nur, so schmilzt die schimmernde Figur.“ (3)

Die Vergänglichkeit des Schneemanns, die hier thematisiert wird, macht vielleicht auch seinen großen Reiz und seine Anziehungskraft aus. Zunächst wurden Arme und Beine noch aus einem Teil geformt und angesetzt, dann setzte sich die Dreigliederung durch.

Buchcover eines alten Kinderbuchs mit einem Schneemann. Kinderbuch Frau Holle. Lizenzangabe: Kinderbuch - 1900 - Spielzeugmuseum der Stadt Nürnberg (Museum Lydia Bayer), Germany - CC BY-NC-SA.

Schneemänner fanden bald darauf vermehrt Eingang in Kinderbücher, die vor allem von bürgerlichen Schichten konsumiert wurden. Der Schneemann wurde zum Kinderfreud, meist lustig, humorvoll rezipiert mit grinsendem Mund und lachenden Augen. Ganz wunderbar passte er in die Erziehungswelt der biedermeierlichen Gesellschaft und in eine Zeit, als Schnee nicht mehr als bedrohlich wahrgenommen wurde. Im Gegenteil, das Bürgertum entdeckte das Reisen und auch die idyllische Winterwelt der Alpen mit Skier und Schlitten wurde en vogue. Ende des 19. Jahrhunderts, als Postkarten auch durch innovative Drucktechniken und die Erschließung neuer Verkehrswege voranschritt, verbreitete sich das Motiv der weißen Winteridylle rapide und der Schneemann wurde immer häufiger Teil davon. Dies ist bis heute so geblieben. Dank Konfessionslosigkeit wird er immer häufiger zum winterlichen Symbol und zur jahreszeitlich passenden Dekoration von Weihnachtsmärkten, Schaufenstern oder Vorgärten genutzt – ob aufgeblasen oder als Kitschfigur.

Auch in moderne Spielwelten hat der weiße Gesell längst Eingang gefunden – Playmobil hatte bereits in den 1980er Jahren die schlittenfahrenden (4) Kinder inklusive Schneemann-Figur mit Besen und Hut im Programm (5). Auch im Film taucht er immer wieder auf – ob im Thriller The Snowman von 2017 oder, etwas harmloser, als von der Eiskönigin Elsa durch Magie erschaffene, treuherzige Figur namens Olaf.

Zum Tag des Schneemanns am 18.01. werden sie alle gefeiert. Und es bleibt die Hoffnung, dass Frau Holle auch dieses Jahr ihre Wolken öffnet und die schneeigen Gesellen uns dann wieder erfreuen.

Wenn auch Sie Schneemannfotos – ob historisch oder aktuell - für unser Archiv haben, freuen wir uns über eine Mail an: katrin.bauer@lvr.de

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(1) https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2021/20210129_deutschlandwetter_
januar2021.pdf?__blob=publicationFile&v=5 (17.01.2022)
(2) https://www.wn.de/muensterland/kreis-coesfeld/nottuln/riesige-freude-uber-die-weisse-
winterpracht-1086070 (17.01.2022)
(3) Der Schneemann
Lieder für Kinder von Weiße, Christian Felix - 1770 - Universitätsbibliothek Heidelberg, Germany -
CC BY-SA, hier S. 49.
http://www.europeana.eu/de/item/07931/diglit_weisse1770
(4) Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Schneemann_(Film) (14.01.2022)
(5) Vgl. Kunststoffigur & Schlitten - 1984 - Spielzeugmuseum der Stadt Nürnberg (Museum Lydia
Bayer), Germany - CC BY-NC-SA.
https://www.europeana.eu/de/item/2064109/Museu_ProvidedCHO_Spielzeugmuseum_der_Stadt
_N_rnberg__Museum_Lydia_Bayer__22478__Datensatz_

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