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Ramadankalender für Kinder

Ramadankalender mti bunten Taschen, auf denene Zahlen stehen Ramadankalender, 2013

Ein Adventskalender mitten im Sommer? Mit 30 Türchen? Nein, natürlich nicht. Was auf dem Foto zu sehen ist, ist ein Ramadankalender für Kinder. Vier Wochen lang finden muslimische Kinder jeden Tag jeweils hinter den Türchen, in den Säckchen oder Täschchen, Süßigkeiten, Koranverse oder kleine Geschichten. Ramadan ist der islamische Fastenmonat und der neunte Monat im islamischen Kalenderjahr. Weil sich die islamische Zeitrechnung am Mondjahr orientiert, das zehn Tage kürzer als das Sonnenjahr ist, verschiebt sich der Beginn des Ramadans jedes Jahr um zehn Tage nach vorne. In diesem Jahr (2013) begann der Ramadan am 9. Juli und endet am 9. August.

Für muslimische Gläubige hat der Ramadan herausgehobene Bedeutung, denn im Islam gilt dieser Monat als Beginn der göttlichen Überlieferung des Korans an den Propheten Mohammed. Das Fasten im Ramadan gehört zu den zentralen Pflichten der Gläubigen, den sogenannten „fünf Säulen" des Islam. Die vier anderen Säulen sind das islamische Glaubensbekenntnis, die Almosenspende, die Pilgerfahrt nach Mekka und das tägliche Beten. Während des Fastenmonats nehmen muslimische Gläubige jeden Tag jeweils von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder Nahrung noch Getränke zu sich, fällt der Ramadan in die heißen Sommermonate ist das natürlich eine besondere Herausforderung. Auch sexuelle Enthaltsamkeit und der Verzicht aufs Rauchen gehören zu den Anforderungen während des Ramadans. Darüber hinaus ist es üblich, sich derjenigen Menschen bewusst zu werden, die weniger haben und Solidarität mit den Armen zu zeigen. Daher sind Spenden an Bedürftige bei muslimischen Gläubigen ebenfalls üblich. Kranke, Schwangere oder Reisende sind vom Fasten ausgenommen.

Fastenzeiten zu besonderen Anlässen und im Jahreslauf sind auch in anderen Religionen bekannt. Sie dienen etwa der religiösen Besinnung, der Buße und der symbolischen Reinigung der Seele. Die Enthaltsamkeit soll die Sinne frei für religiöse Erfahrungen machen und eine intensive Zuwendung zu Gott ermöglichen. Im Christentum ist die Fastenzeit vor Ostern besonders bedeutsam, sie dauert 40 Tage. Solche Fastenzeiten gehen nicht immer mit dem völligen Verzicht auf Nahrung einher, zu den besondere Nahrungsvorschriften beim vorösterlichen Fasten gehört es, auf Fleisch und Alkohol zu verzichten. In jüngerer Zeit suchen katholische und evangelische Gläubige auch neue Formen des Fastens, indem sie unliebsamen alltäglichen Angewohnheiten eine Absage erteilen. Dann wird für die Dauer der Fastenzeit das Handy bei Seite gelegt, der Fernseher gar nicht erst angeschaltet oder eine Alternative zum Autofahren gesucht.

Oftmals begleiten Bräuche und Rituale die Fastenzeiten, wie etwa das Fischessen zu Aschermittwoch, um wieder ein Beispiel aus dem christlichen Bereich zu nennen. Im Ramandan wiederum ist das allabendliche Fastenbrechen nach Sonnenuntergang ein besonders gemeinschaftstiftendes Ritual. Familie, Nachbarn und Freundeskreis treffen sich dann abends zum Beten und zum gemeinsamen Essen in größerer geselliger Runde. In der Regel beginnen diese Mahlzeiten mit dem Verzehr einer Dattel und eines Schlucks Wasser, bevor verschiedene Speisen gereicht werden. Der Ramadankalender für Kinder ist in ein relativ neues Element. Er dient dazu, Kindern muslimischer Eltern das Verhalten der Erwachsenen verständlicher zu machen und soll sie an religiöse Riten heranzuführen. Auch wenn die Kinder noch nicht fasten, so können sie zum Beispiel tagsüber auf Süßigkeiten verzichten und finden dann abends im Ramadankalender eine Belohnung in Form von Schokolade. Koranverse oder kleine Geschichten hinter den Türchen oder in den Säckchen werden als Anlass genommen, in der Familie über religiöse Themen und Bräuche zu sprechen. Das abendliche Öffnen der Türchen des Ramdankalenders ist darüber hinaus eine Möglichkeit, die Jungen und Mädchen in das religiöse und gesellige Leben beim abendlichen Fastenbrechen einzubeziehen.

Der Ramadankalender erinnert nicht nur zufällig an den Adventskalender, er ist tatsächlich von ihm inspiriert. Während es Adventskalender bereits seit gut 100 Jahren gibt, hat sich der Ramdankalender erst in jüngster Zeit entwickelt. Möglicherweise hat sich diese Form zunehmend verbreitet, als im Jahr 2000 der Ramadan in die Adventszeit fiel. Da in Deutschland Adventskalender sehr populär sind, lag es möglicherweise für Eltern oder ErzieherInnen nahe, auch den muslimischen Jungen und Mädchen etwas Vergleichbares zu bieten, etwas, auf das sie sich jeden Tag freuen können und das ihnen diese besonderen Abschnitte im Jahreskreis bewusst macht. Wie auch bei den Adventskalendern, gibt es unter den Ramadankalendern die kommerzielle, konfektionierte Variante in Form von Pappschachteln mit bunten Motiven und nummerierten Türchen, die mit Schokolade gefüllt sind. Aber ebenso sind auch individuell gebastelte Kalender in Gebrauch, die dann nach Belieben bestückt werden.

Das Ende des Ramadans feiern muslimische Gläubige mit einem dreitägigen Fest, auf Türkisch heißt es Seker Bayrami, was sich auf Deutsch mit Zuckerfest übersetzen lässt. Es beginnt mit dem ersten Tag des auf den Ramadan folgenden Monats. Gebete, ausgiebige Festessen, zu denen man Freunde und Familie einlädt und bei denen es auch viele süße Speisen gibt, gehören zum Fest, ebenso wie gegenseitige Geschenke, vor allem an Kinder und in Form von Süßigkeiten.

Das Kalenderbeispiel auf unserem Foto zur „Entdeckung des Monats" stammt aus einem Bildungszentrum in Köln-Mülheim, in dem Kinder zum Beispiel Nachhilfe bekommen oder an Sportkursen teilnehmen. Über weitere Beispiel, wo im Rheinland Ramadankalender für Kinder im Einsatz sind, ob im privaten Gebrauch oder in Bildungseinrichtungen, freuen sich die Volkskundlerinnen und Volkskundler in unserem Institut. Infos und Fotos können Sie uns gerne per Mail zusenden an: rheinische-landeskunde@lvr.de.