LVR-Institut für Landeskunde
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Von Eichelmännchen und Kastanientieren

Spielzeug im Wandel der Zeit

Der Herbst steht vor der Tür. Das Laub wird bunt und in den Parks und Wäldern liegen Kastanien und Eicheln in Hülle und Fülle und warten darauf gesammelt zu werden. Dann geht es los, das alljährliche herbstliche Basteln. Zu Hause, in Kindergärten und Schulen entstehen kleine Kastanien- oder Eichelmännchen, die zum Dekorieren oder Spielen einladen. Wer erinnert sich nicht gerne an die eigenen Kindertage zurück, wo nach einem herbstlichen Spaziergang aus Naturmaterialien neue Spielkameraden endstanden. Die Entdeckung des Monats ist ein solches Männchen. In diesem Fall kamen auch Nussschalen und Korken zum Einsatz und gaben der Figur ihre Gestalt.

Männchen gebastelt aus Korken und Zahnstochern. Als Hut hat es eine Walnusshälfte und als Füße Haselnusshäften. Es trägt eine Pfeife aus einer Eichel im Mund. Daneben steht eine Kanne, gefertigt aus einer Eichel. Aus den Früchten des Herbsts gebasteltes Korkenmännchen

Material aus der Natur diente seit jeher zur Herstellung von Spielzeugen. Im Laufe der Geschichte wandelten sich jedoch die Art und die Intention des Spielens.

Kinder aus bäuerlichen und Arbeiterfamilien waren meist in den Arbeitsalltag eingebunden und mussten früh Geld verdienen. Wenn Zeit zum Spielen war, hielten sie sich meist im Freien auf und spielten Bewegungsspiele oder stellten ihre Spielzeuge aus Naturprodukten selbst her. Auf dem Land dienten geschnitzte Holzfiguren und aufgeblasene Schweineblasen als Spielzeug, aus mit Kieselsteinen gefüllten und getrockneten Gänsegurgeln fertigte man Rasseln. Um Spielzeug zu kaufen, fehlte das Geld.

Bis ins 19. Jahrhundert war es den Kindern der oberen gesellschaftlichen Schichten aus Bürgertum und Adel vorbehalten, mit handwerklich und später industriell gefertigtem Spielzeug zu spielen. Das Spielzeug sollte den Nachwuchs auf die später einzunehmende gesellschaftliche Rolle oder den Beruf vorbereiten. In der wilhelminischen Gesellschaft spielten die bürgerlichen und adeligen Jungen meist mit Steckenpferd, Holzsäbel, Zinnsoldaten und Blechtrommel, um so spielerisch auf den Militärdienst vorbereitet zu werden. Mädchen wurden durch Puppen und Puppenhäuser an die Rolle der Hausfrau und Mutter herangeführt.

Gesellschaftlich war das Spiel um des Spielens Willen lange Zeit den jüngeren Kindern vorbehalten. Mit Eintritt in das Schulalter sollte das Spiel mit einem Zweck verbunden und sinnvoll sein, im Erwachsenenalter galt Spielen als verpönt. Ein weiteres Ziel vieler Spiele war die Vermittlung von gesellschaftlichen Werten. In beiden Weltkriegen waren Kriegsspielzeug und Kriegsspiele verbreitet. Somit erreichte die Kriegspropaganda auch die Kinderzimmer. Nach wie vor waren viele industriell gefertigte Spielzeuge stark geschlechterspezifisch.

Die Verarbeitung von Kunststoff machte Spielzeug im 20. Jahrhundert für die breite Gesellschaft erschwinglich. Mit Einführung der 5-Tage-Woche in den 1950er-Jahren stand mehr Freizeit zur Verfügung, die dadurch als weniger kostbar angesehen wurde. Das zweckungebundene Spiel verlor seinen Ruf als Zeitverschwendung und auch Erwachsene entdeckten das Spielen, vor allem in Form von Gesellschaftsspielen, für sich. Als Gegenpol zu den Kunststoffspielzeugen aus der Massenproduktion wurden im Zuge einer Rückbesinnung auf Ökologie und Naturschutz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Holzspielzeuge nun zunehmend teurer.

Es ist nicht überliefert, wann genau das erste Korken-, Eichel- oder Kastanienmännchen gebastelt wurde. Fest steht, diese kleinen Kerle trotzen bis heute einer Invasion der verschiedensten Modeerscheinungen auf dem Spielzeugmarkt und tauchen allherbstlich wieder auf. Jetzt, wenn die Tage kürzer und die Abende länger werden, ist wieder mehr Zeit für gemeinsames Spiel - egal in welchem Alter.