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Brot für Jedermann
Kontinuität und Wandel eines Welternährers
Das Foto zeigt acht Brotlaibe, die in einem Wannenkorb auf einer Schubkarre liegen. Doch was hat es mit diesen Broten auf sich? Die Schwarz-Weiß-Aufnahme lässt erahnen, dass es sich um ein älteres Bild handeln muss. Tatsächlich wurde es 1970 aufgenommen. In Löhndorf, einem Ortsteil von Sinzig im Landkreis Ahrweiler. Dort wurde bis in die 1970er Jahre das Brot von einigen Familien noch in einem Gemeindebackhaus gebacken, obwohl es in diesem Dorf bereits einen Berufsbäcker gab. Nach dessen Erbauung 1764, nutzten viele Bürger des Dorfes das Backhaus, da sie sich keinen eigenen Backofen leisten konnten. Darüber hinaus war ein solcher Ort gemeinschaftsstiftendend. Man unterhielt sich und half sich gegenseitig bei der Brotzubereitung. Die Fotografie wurde im Zu-sammenhang mit Dreharbeiten für den Film „Brotbacken im Gemeindebackofen“ des LVR-ILR gemacht. In einem Rhythmus von zwei bis drei Wochen wurden in diesem Backhaus, von in dem Dorf ansässigen Familien, bis zu 16 Brote für den Eigenbedarf hergestellt. Schließlich machte Brot bis ins 19. Jahrhundert bis zu ¾ der täglichen Kohlenhydratzufuhr aus.
Wie der Dokumentarfilm veranschaulicht, brachten die Familien ihre Zutaten selber zum Backhaus mit, setzten den Teig an und ließen ihn ruhen, um später die Brote backen zu können. Zuvor wurde die Teigmasse bis zu eineinhalb Stunden lang mit den bloßen Händen geknetet. Der sogenannte Sauerteig - ein Teil des Teigs vom vorigen Backvorgang - fungierte als Treibmittel. Vor dem backen heizte man den Ofen an, erst bei einer Tempe-ratur von rund 250 °C konnten die Brote richtig durchbacken. Dies gewährleistete eine längere Haltbarkeit des Brotes. Nach der Fertigstellung bepinselte man die Brote mit Wasser, um Schimmelbildung und Austrocknung vorzubeugen. Daher glänzten die Brote auch, wie man auf der Fotografie erkennen kann. Das Gemeindebackhaus aus Löhndorf wurde nach den Dreharbeiten zum genannten Film in das LVR-Freilichtmuseum Kommern überführt, wo es noch heute steht.
Und wie steht es heutzutage um das Bäckerhandwerk? Es wird immer noch Brot gegessen und es gibt in Deutschland über 3000 registrierte Brotsorten. Jedoch gibt es nur noch wenige traditionelle Bäckerhandwerksbetriebe. Jährlich müssen hunderte Kleinbetriebe ihren Laden schließen, da sie preislich nicht mit den industriellen Großbäckereien mithalten können. Zudem bieten Discounter Backwaren seit einigen Jahren noch günstiger an, da es in anderen Ländern vorgebacken wird und mit Enzymen versetzt in den Filialen der Supermärkte nur noch aufgebacken werden muss. Diese Transformierungsprozesse än-derten vor allem die Herstellungsweise des Brotes. Trotz dieser Veränderungen konnte sich das Brot, neben der Fülle an anderen Nahrungsmitteln, behaupten.
Um die komplexen Arbeitsabläufe der damaligen Zeit und ihre Transformierungsprozesse im 20. Jahrhundert zu beleuchten und zugänglich zu machen, wurde 2013 das DFG-Projekt "PortAll - Digitales Portal Alltagskulturen im Rheinland - Wandel im ländlichen Raum 1900-2000" ins Leben gerufen. Die vorliegende Fotografie ist ebenfalls, im Rahmen dieses Projekts, digitalisiert worden und bald über eine Datenbank zugänglich.