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„So was haben wir noch nicht erlebt!“
Ein Forschungsprojekt zur Flutkatastrophe in Euskirchen im Juli 2021
Am 14. Juli 2022 jährt sich die Flutkatastrophe aus dem letzten Jahr, die mit schweren Sturzfluten und Überschwemmungen in mehreren Flussgebieten in Westeuropa wütete. Gemessen an der Opferzahl war die Flutkatastrophe am 14./15. Juli 2021 die schwerste Naturkatastrophe in Deutschland seit der Sturmflut 1962. Binnen 24 Stunden fielen mancherorts bis zu 200 Liter Regen pro Quadratmeter. Die Abteilung „Alltagskultur“ des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte beschäftigt sich im Rahmen eines Forschungsprojektes und in Kooperation mit dem Stadtmuseum Euskirchen mit den Erlebnissen der Betroffenen und den Auswirkungen der Katastrophe.
Die Flut beginnt. (Foto: Schweinheim hat Zukunft e. V.) Die Irmelsgasse in Schweinheim einen Tag nach der Flut. (Foto: Schweinheim hat Zukunft e. V.)
Räumlich liegt der Fokus der Untersuchung auf der Euskirchener Innenstadt und dem Ortsteil Schweinheim. Die Innenstadt Euskirchens wurde in großen Teilen überflutet: Neben vielen privaten Wohnungen waren etwa 200 Geschäfte betroffen. Mehrere Orte im Kreis Euskirchen mussten aufgrund der Überschwemmungen und der Befürchtung, die Staumauer der Steinbachtalsperre könnte brechen, evakuiert werden. Schweinheim, der östlichste Stadtteil Euskirchens mit knapp 450 Einwohner*innen ist der nächstgelegene Ort unterhalb der Steinbachtalsperre. Die erreichbaren Bewohner*innen wurden in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli von der Feuerwehr evakuiert und für mehrere Tage in Notunterkünfte gebracht. Kaum ein Haus in Schweinheim blieb unversehrt. Die Strom- und Trinkwasserversorgung, sämtliche Mobilfunknetze und die Verkehrsinfrastruktur fielen in weiten Teilen des Kreises Euskirchens aus oder wurden zerstört.
Zerstörung in Schweinheim kurz nach der Katastrophe. (Foto: Schweinheim hat Zukunft e. V.)
Die Flutkatastrophe und die dadurch entstandenen enormen Schäden haben das Leben im Kreis Euskirchen und die Stadt- bzw. Ortsbilder maßgeblich verändert. Die Ereignisse in der Flutnacht und die drastischen Folgen prägen seither das Leben, Denken und Handeln der Betroffenen. Wie haben sie die Katastrophe erlebt? Wie gehen sie mit der veränderten Situation um?
In dem Kooperationsprojekt sammelt das Stadtmuseum Euskirchen die individuellen Geschichten der Betroffenen, um die Ereignisse der Katastrophe als ein Stück Stadtgeschichte festzuhalten. Das LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte untersucht darüber hinaus den Umgang mit der Flutkatastrophe sowie ihre vielseitigen Auswirkungen. Wie hat sich der Alltag der Betroffenen verändert? Was hat ihnen geholfen? Wie verändern sich die Strukturen in einer Stadt bzw. einem Ort?
Fußgängerzone in Euskirchen knappe zwei Monate nach der Flukatastrophe. (Foto: Giulia Fanton, LVR-ILR) Euskirchener Innenstadt knappe fünf Monate nach der Flutkatastrophe. (Foto: Giulia Fanton, LVR-ILR)
Die Forschungsgrundlage bilden eine Vielzahl von Zeitzeugenberichten und eine umfangreiche Foto- und Videosammlung zur Flut. Interviewt wurden Bürger*innen sowie Geschäftsleute aus den zuvor genannten Gebieten. Die Interviews wurden zwischen November 2021 und Juli 2022 geführt, also zwischen vier und zwölf Monaten nach der Katastrophe. Die Betroffenen wurden zunächst gebeten, von ihren Erinnerungen an die Flutkatastrophe am 14. und 15. Juli zu berichten. Es folgten fast ausnahmslos lange, detailreiche Erzählungen über die Zeit während und nach der Katastrophe. Die meisten Betroffenen setzten zeitlich an dem Punkt ein, an dem sie erstmals auf den übermäßig starken Niederschlag aufmerksam wurden. Danach erzählten sie überwiegend chronologisch von ihren Erlebnissen, beschrieben ihr Verhalten und ihre Handlungen während der Flutkatastrophe und berichteten von ihren Sorgen und Ängsten. Diese Passagen ähneln sich an vielen Stellen; gleichzeitig sind sie aber überaus verschiedenartig, individuell und facettenreich.
Derzeit werden die Interviews ausgewertet. Erste Erkenntnisse verdeutlichen, dass sich, obgleich die Erzählungen der Betroffenen vom selben Ereignis handeln, ein vielschichtiges Mosaik aus unterschiedlichen Perspektiven, verschiedenartigen Wahrnehmungen und zahlreichen thematischen Verknüpfungen rund um die Flutkatastrophe im Juli 2021 ergibt.
Das Engagement der zahlreichen Helferinnen und Helfer hat viele Betroffene nachhaltig geprägt. (Foto: Giulia Fanton, LVR-ILR) Gemeinsames Adventskränze Basteln nach der Flutkatastrophe. (Foto: Giulia Fanton, LVR-ILR)
„Diese Flut hat auf alles Auswirkungen. Also es ist wirklich, man fühlt sich wie in so einem Walnussschälchen auf dem offenen Meer, weil man auch überhaupt gar keine Ahnung hat, in welche Richtung treibt es einen.“ (Interview A 08.12.2021)
Welche Auswirkungen die Flutkatastrophe konkret auf die Betroffenen hat, was ihnen Kraft gibt, wie wichtig die Helfer*innen waren und sind und was es mit dem gemeinsamen Adventskränze Basteln in Schweinheim auf sich hat, erfahren Sie demnächst.
Über Ergebnisse der Forschung werden wir Sie auch hier auf unserer Internetseite informieren und stets auf dem Laufenden halten.
Ansprechpartnerin für das Projekt:
Giulia Fanton
LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
Endenicher Str. 133, 53115 Bonn
Telefon: +49 (0) 228 9834 - 233
E-Mail: giulia.fanton@lvr.de