LVR-Institut für Landeskunde
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Pfingsten in Schönenberg

Junge Männer gehen durch einen Dorfstraße. Manche von ihnen tragen Körbe. Film Pfingsteiersingen, Ruppichteroth-Schönenberg (Bröltal), 1980. LVR, CC BY 4.0

Zu Pfingsten präsentiert unser Institut in diesem Jahr einen der alten Filmschätze seines Archivs auf unserem Portal „Alltagskulturen im Rheinland“ und dem gleichnamigen YouTube-Kanal. Beim „Pfingsteiersingen“ in Schönenberg, Bröltal im Jahr 1980 zieht eine Männergruppe, die sich aus Mitgliedern des örtlichen Bürgervereins zusammensetzt, am Vorabend des Pfingstfestes von Haus zu Haus und trägt den traditionellen Heischegesang vor. Damit werden Spenden in Form von Eiern, Spirituosen oder Geld eingesammelt, ein gemeinsamer Umtrunk schließt den Umzug ab. Doch welche sind die Hintergründe dieses dörflichen Brauches? Was hat sich gewandelt – was wird bewahrt?

Das Maifest als Ausgangspunkt

Eine Gruppe Männer vor einer Haustür an der drei junge Frauen stehen. Ein Ständchen für die "Maibräute". Filmszene aus "Pfingsteiersingen", Ruppichteroth-Schönenberg (Bröltal), 1980.

Das Pfingsteiersingen, das zusammen mit dem Pfingstfest den Abschluss der Maifeierlichkeiten markiert, geht aus dem Maibrauch selbst hervor. Danach haben früher, so zumindest die Narration, die „Maijungen“, also die Junggesellen der Dorfgemeinschaft, ihren Maibräuten im Tausch gegen ungekochte Eier ein Ständchen gehalten. Die Eier wiederum erhielten die Sänger als Gegenleistung für die Begleitung beim Maiball. In Schönenberg waren bereits zur Zeit der Dreharbeiten des Films 1980 einige Bestandteile, die zu den Maifeierlichkeiten gehörten, abgeschafft worden. So war zum Beispiel die dafür zuständige Junggesellengemeinschaft aufgelöst, die „Versteigerung“ der Maibräute führte man schon seit 1950 nicht mehr durch. Halt gemacht wurde nun an Häusern unabhängig davon, ob darin Frauen im heiratsfähigen Alter wohnten, und die Gesangsgruppe bestand nun auch aus bereits verheirateten Männern. Sehr deutlich zeigt sich hier, dass Bräuche und Rituale sich permanent wandeln, sich anpassen müssen, um ihre Legitimation und Funktion zu behalten.

Der Brauch zeichnet sich in Schönenberg dadurch aus, dass er durch den Bürgerverein des Ortes organisiert wird, der sich die Bewahrung der örtlichen Tradition zur Aufgabe gemacht hat. Die Dreharbeiten zu dem Film führten wohl auch dazu, dass sich das Ritual und der Verein neu etablierte. Die Sänger greifen bei ihrem Gang durch das Dorf auf ein ganzes Repertoire an Volksliedern zurück, die von einer Ziehharmonika begleitet werden. Das Herzstück ist jedoch ein Heischelied, aus dem einige Zeilen vorgetragen werden. Mit der ersten Strophe „Gebt uns doch ein Pfingstei/drei sind uns lieber als zwei “, fordert es zur Eierspende auf. Abschließend schenkt man der Zuhörerin aus der mitgeführten Spirituosenflasche ein kleines Glas ein, bevor es weiter zum nächsten Haus geht.

„Die längste Nacht des Jahres“

Eine Gruppe Männer speist an einem Tisch. Ausklang beim gemeinsamen Essen. Filmszene aus "Pfingsteiersingen", Ruppichteroth-Schönenberg (Bröltal), 1980.

"Die längste Nacht des Jahres" - so wird die Pfingstnacht in Schönenberg genannt, da das Pfingsteiersingen die Nacht hindurch bis zum nächsten Morgen fortgesetzt wird. Durch die Trinksitten, die den Umzug begleiten – so zum Beispiel dem Halt an der örtlichen Gaststätte zwischendurch oder dem Umtrunk am Abend –, fiel es jedoch nicht jedem Pfingsteiersänger leicht, bis in die Morgenstunden durchzuhalten. Manch einer soll daher seinem Rausch erlegen und im Straßengraben eingeschlafen sein. „Lasst uns nicht zu lange stehen/wir müssen noch zur Frühmess‘ gehen“, heißt es zwar im Heischelied, doch wurde dem wohl nicht jeder gerecht. Das Überschreiten von Grenzen – sei es durch den teils exzessiven Genuss von Alkohol, dem Konsum von fettigen Speisen auf der Kirmes oder dem spielerischen Ausloten von Rollen beim Jungesell*innenabschied sind vielen Bräuchen und Ritualen immanent und werden dort auch immer wieder neu verhandelt. Sie werden so zur Folie, auf der gesellschaftliche Diskurse um „richtiges“ Verhalten, um Rollenbilder und somit auch um Werte und Normen vereinbart werden.

Sind alle Häuser abgelaufen, kehrt die Gruppe im Film wieder in der Gaststätte ein, von der aus sie losgezogen war. Die gesammelten Spenden werden gezählt, bis zur Frühmesse trinkt und singt man gemeinsam, der traditionelle Eierkuchen mit Speck wird als Stärkung serviert. Viele Elemente der früheren Maibräuche hat man heute abgelegt und so zeigt sich auch beim Pfingsteiersingen, dass Wandel von Ritualen notwendig ist, um deren Aktualität zu erhalten.Die Geselligkeit und die identitätsstiftende Funktion des Brauches für die Dorfgemeinschaft blieb erhalten.


Auch 2025 wird der Brauch des Pfingsteiersingens in Schönenberg als lokale Tradition ausgeübt. Wir wünschen den Menschen in Schönenberg und allen anderen Zuschauer*innen viel Freude mit unserer Filmdokumentation.

Text: Frederic Kausch

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