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Nachruf: Dr. Berthold Heizmann
Foto: Peter Weber/LVR (1988-089-16/Archiv des Alltags im Rheinland)
Das LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte trauert um Dr. Berthold Heizmann (01.05.1950-05.03.2025)
Tief betroffen haben wir die traurige Nachricht vom Tode unseres langjährigen Kollegen Dr. Berthold Heizmann erhalten. Als wissenschaftlicher Referent hat er die Arbeit in der damaligen Abteilung Volkskunde von 1980 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2013 maßgeblich geprägt. Das gilt vor allem für eine zentrale Säule und ein Alleinstellungsmerkmal des heutigen LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte: die kulturanthropologische Filmdokumentation.
Der Filmarbeit gab er zahlreiche inhaltliche, konzeptionelle und methodische Impulse. Durch seine den Menschen stets zugewandte, nahbare Art gelang es Berthold Heizmann, das Vertrauen der Protagonistinnen und Protagonisten seiner Filme zu gewinnen. Ob Metallarbeiter am Brennofen oder aufgeregte Braut kurz vor der türkischen Hochzeit – sie alle vergaßen irgendwann die Filmkamera und gewährten bei den Dreharbeiten authentischen Einblick in ihre Arbeits- und Gedankenwelten. Generationen von Institutsnachwuchskräften sind die Drehtage, zu denen sie ihn begleiten durften, bis heute in wertvoller Erinnerung.
Berthold Heizmann wurde am 01.05.1950 in Friedrichshafen geboren und studierte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Volkskunde und Ernährungswissenschaften. Er promovierte bei Günter Wiegelmann im Fachgebiet Volkskunde zur ländlichen Möbelkultur in Minden-Ravensberg. 1980 kam er als Wissenschaftlicher Referent ins damalige Amt für Rheinische Landeskunde nach Bonn.
Eines seiner wissenschaftlichen Themen, welches ihn bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand begleitete, wurde die Nahrungsforschung. Den bekennenden Oberschwaben, der über das westfälische Münster ins Rheinland zog, haben die lokalen Genüsse so nachhaltig fasziniert, dass er ihnen immer wieder seine wissenschaftliche Aufmerksamkeit schenkte. Die Ergebnisse der Umfrage „Nahrung und Speise im Wandel nach 1900“, zu Beginn der 1980er Jahre vom damaligen Amt für Rheinische Landeskunde durchgeführt wurde, veröffentlichte er in den Publikationen „Die rheinische Mahlzeit“ (1994) und „Von Apfelkraut bis Zimtschnecke. Das Lexikon der rheinischen Küche“ (2011). Aber nicht nur wer wann was aß und trank, spielte in seiner Forschung eine Rolle, sondern auch der Ort des Verzehrs. So beschäftigte sich Berthold Heizmann auch mit den Themen Gaststätten, Trinkhallen und Kioskkultur und war mit seiner Expertise beliebter Ansprechpartner für Medien.
Foto: LVR/Archiv des Alltags im Rheinland (20070619-106)
In seiner Forschungsarbeit stellte er stets den Menschen in den Mittelpunkt. Damit spiegelte er den Zeitgeist des fachgeschichtlichen Methodendiskurses innerhalb der Volkskunde/Europäischen Ethnologie wider. Besonders deutlich ist das an seiner filmischen Arbeit ablesbar, die drei inhaltliche Schwerpunkte kennzeichnen:
Zum einen das Thema Nahrungsmittelproduktion, das er beispielsweise in seinen Filmen zum Obstanbau und -verwertung im Rheinland sichtbar machte. Damit erweiterte er seine Forschungen zur Nahrung um die filmische Methode. Ein weiteres besonderes Interesse galt dem Thema Industrialisierung im Rheinland. Hervorzuheben sind hier die Filme, die sich mit Themen rund um den Bergbau beschäftigen. Mit diesen Filmen begründete er eine neue Themenreihe, die heute 22 Filme zählt. Zuletzt interessierten ihn Aspekte des interkulturellen Alltags, die er ab Anfang der 1990er Jahre in seiner Filmarbeit aufgriff. Hierzu gehören beispielsweise das Freitagsgebet, die griechisch-orthodoxe Taufe, türkische Hochzeitsbräuche oder das Osterfest, wie es in Spanien, seiner Wahlheimat, oder Italien gefeiert wird.
Seine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen trauern um einen motivierten und motivierenden, einen ideenreichen und mitreißenden Wissenschaftler, Filmemacher und Menschen, der sie an seiner Leidenschaft teilhaben ließ.
Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt den Hinterbliebenen.
Foto: Peter Weber/LVR (1988-102-27/Archiv des Alltags im Rheinland)
Für das gesamte Team des LVR-ILR
Dr. Helmut Rönz