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„Wenn Schukis und Wackelzähne gehen“

Ein Übergangsritual der Kindergartenkinder zwischen Abschied und Neubeginn

In einer Plastikbox stehen aus buntem Paper gebastelte Schultüten. Bald werden aus den Kindergartenkindern Schulkinder. (Foto: Katrin Bauer/LVR)

In diesen Tagen erfahren die zukünftigen Erstklässler eine aufregende Zeit: Die "Schukis“ (Schulkinder), "Wackelzähne" oder "alten Hasen" werden verabschiedet. So oder so ähnlich heißen Kindergartenkinder in ihrem letzten Kita-Jahr. Die letzten zwölf Monate waren für sie besonders, sie wurden auf die kommenden Herausforderungen im Schulalltag vorbereitet, individuell gefördert und begleitet. Sie waren "die Großen", die "den Kleinen" Hilfestellung leisteten, die Abläufe, Regeln und Rituale kannten und Verantwortung übernehmen konnten. Das Ende des Kindergartenjahres ist nun gekommen, nach den Sommerferien folgt ihre Einschulung mit Schultüte, Ranzen und festlichem Willkommen.

Der Abschied von der Kindergartenzeit wird, öffentlich kaum wahrgenommen, durch eine Vielzahl von Ritualen begleitet, die sich in den letzten Jahren etabliert haben und die jeder Kindergarten für sich in Eigenregie plant und organisiert. Ziel dieser Rituale ist immer, den anstehenden Übergang zu erleichtern und das Ende des Lebensabschnitts symbolisch zu markieren. Die Handlungen variieren von Kita zu Kita, doch lassen sich wiederkehrende Elemente und Symboliken ausmachen, die an diesem letzten Tag ähnlich überall zu finden sind: Zunächst ist da der Rückblick auf die Kindergartenzeit, häufig besungen, in welchem die Entwicklung des Kindes und die schöne, sorgenfreie und freiheitliche Zeit im Fokus steht, wie in einem gern genutzten Lied von Julia Krenz:

„An diesem Ort haben wir viel Zeit verbracht,
wir hab`n gespielt, gesungen und ganz viel gelacht.
Für die Puppen haben wir fast jeden Tag gekocht,
Toastbrot und Pizza hab`n sie ganz doll gemocht.
Wild konstruiert haben wir im Forscherraum,
unsere Türme waren höher als ein Baum.
Die Erinnerungen nehmen wir nach Hause mit,
doch vorher singen wir noch mal dieses Lied (…)“

- Julia Krenz: Tschüss, macht´s gut, auf Wiederseh`n!

Gegenseitige Wertschätzung, Dank und Anerkennung sind weitere Elemente, die in verschiedenen Variationen immer wieder auftauchen: Die Eltern und Kinder danken den Erzieher*innen und der Kitaleitung und übergeben häufig etwas Bleibendes: Einen Spielteppich, eine Bank, einen neuen Baum für den Kindergarten oder ähnliches. Die Symbolik etwas Bleibendes zurückzulassen, was einen – wie auch immer gearteten – Nutzen hat, erscheint wichtig. Häufig werden die Geschenke individualisiert, die Bank etwa von den scheidenden Kitakindern bemalt, der Teppich mit den Namen bedruckt oder Handabdrücke der Kinder an einen Baum im Garten gehangen.

Auf einer Holzbank prangt der rote Handabdruck eines Kindes. Daneben steht der Name 'Luisa'. Die Kindergartenkinder hinterlassen etwas Bleibendes. (Foto: Katrin Bauer/LVR)

Im Gegenzug schenken auch die Erzieher*innen und die bleibenden Kindergartenkinder den werdenden Schulkindern etwas, geben ihnen etwas mit auf den Weg. Häufig haben auch diese Dinge zeichenhaften Charakter und gehen über das eigentliche Objekt hinaus. Ein bemalter Stein zum Beispiel, der als Stein des Lebens gedacht ist oder eine kleine Schultüte, die auf die zukünftige Rolle verweist. Höhepunkt des Abschiedes ist mancherorts der symbolisch vollzogene Rausschmiss aus dem Kindergarten: Von den Erzieher*innen an Armen und Beinen gehalten, werden die künftigen Schulkinder auf eine große Matte aus dem Kindergarten hinausgeworfen und dort von den zusehenden Eltern in Empfang genommen. Ein klassisches Übergangsritual, ganz ähnlich dem ehelichen „über die Schwelle tragen“ bei der Hochzeit. Solche Übergangsrituale kennen wir aus vielen anderen Kontexten in Bildungseinrichtungen: Beim Abitur zum Beispiel, wo Schüler*innen ihren letzten Tag mit einer Vielzahl an Elementen – wie etwa dem Abigag, einer Mottowoche und dem Abiball als Höhepunkt – zelebrieren. Oder eben bei der Einschulung, wenn die I-Dötzchen mit ihren Schultüten einen neuen Lebensabschnitt beginnen.

An einer Kindertafel hängt ein gelbes Plakat mit der bunten Aufschrift 'Tschüss liebe Schukis. Wir werden euch vermissen'. An das Plakat ist eine gebastelte gelbe Schultüte mit Tafel, ABC und 'Auf Wiedersehen' angeheftet. Im Abschied wird mit der Schultüte auf den Neuanfang verwiesen. (Foto: Katrin Bauer/LVR)

Die Übergangsrituale rund um das Ende der Kindergartenzeit haben sich in dieser Ausprägung und Form erst in den letzten Jahren etabliert. Ein Zusammenhang mit der Verlängerung der Betreuungszeiten und -Angebote durch längere und häufigere Berufstätigkeit der Mütter und damit eine stärkere Bindung an die Institution Kindergarten ist sicherlich ein Grund für die gestiegene Bedeutung des Lebensabschnittes. Gleichzeitig verweist die Ausgestaltung des Übergangs sicher auch auf eine veränderte Rolle des Kindes, das viel stärker als eigene Persönlichkeit mit eigenen Bedürfnissen, Wünschen und Emotionen wahrgenommen und auch begleitet wird, weshalb der Abschied behutsam vollzogen wird.

Für unsere Forschungen benötigen wir Ihre Hilfe: Wie war es bei Ihnen, Ihren Kindern oder Enkelkindern? Wie wurde der Abschied vollzogen, oder spielte das Ende der Kindergartenzeit gar keine besondere Rolle? Sind Sie selbst in einer Kita tätig und erleben, wie sich die Bedeutung dieses Tages verändert hat?

Wir freuen uns auf Ihre Berichte, Fotos und Geschichten vom letzten Tag in der Kita, im Kindergarten oder bei der Kindertagespflege!

Ansprechpartnerin
Dr. Katrin Bauer
E-Mail: katrin.bauer@lvr.de

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