LVR-Institut für Landeskunde
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4. Keine Fiche

Die Erzählung "Dä Hond on dat Eechhohn" haben Sie schon kennengelernt. Geschrieben wurde sie von Johanna Kinkel, der Text erschien 1849 im Bonner Verlag von W. Sulzbach. Der Textanfang lautet:

"Dat Drückche wor eckersch esu gruß, dat it met dä Ooge üver dä Desch luure konnt, wa Weck‘ e Milch drob stond; it hatt‘ Höörcher wie Siggeflahs on Öögelscher wie Wachelder-köönscher."

Die kleine Gertrud (Drückche) war also nur (eckersch) so groß, dass sie gerade über den Tisch gucken konnte. Sie hatte Haare wie Seidenflachs und Äugelchen wie Wacholderkörnchen. DrückcheeckerschDeschMilchHöörcherÖögelscherWachelderköönscher: Was hier ch und sch geschrieben wurde, klingt im Bönnschen des Jahres 2019 identisch (oder fast identisch): sch, also Drücksche, Desch, Milsch usw. Das liegt daran, dass der "ich-Laut" im Dialekt inzwischen "koronalisiert" wird, sich also zum sch gewandelt hat. Zu Johanna Kinkels Zeiten waren diese beiden Laute noch ganz verschieden – und am Ende des 18. Jahrhunderts natürlich ebenfalls. Die Koronalisierung ist ein vergleichsweise junges Phänomen und hat den Raum Köln-Bonn erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfasst.

Über die Verkleinerungsformen wird ein andermal ausführlich zu reden sein, auch über deren auffällige Mehrzahlbildung: Höörcher, Öögelscher, Wachelderköönscher – mit er! Hier hat sich viel getan, heute enden Ein- und Mehrzahl unisono auf e!

Wer gegenwärtig des Bönnschen mächtig ist, nimmt sein koronalisiertes ch (= sch) oft mit ins Hochdeutsche: Dann sind isch und misch, fresch und mäschtisch zu hören. Will jemand solche Lautungen vermeiden, tut er oder sie des Guten manchmal zu viel. Dann wird jeder ich-Laut mit Sorgfalt artikuliert, aber das "echte" sch muss schon mal daran glauben: Tich und frich klingen in diesem Fall durchaus wie das hochdeutsche ich und mich. Zu Beethovens Zeiten aber waren die im Rhein oder im Godesbach lebenden Kiementiere noch echte Fische, keine Fiche.

Literatur:
Kinkel, Johanna: Dä Hond on dat Eechhohn. ä Verzellsche für Blahge. Bonn 1949 (Zitat: S. 3). Auf der Internetseite der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn: http://digitale-sammlungen.ulb.uni-bonn.de/content/titleinfo/2232416.