LVR-Institut für Landeskunde
und Regionalgeschichte
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10. De Marsch maache

Vielleicht erinnern Sie sich an die Sacktuch-Geschichte: Gottfried Fischer berichtet, wie die Magd der Familie Beethoven einmal in große Not gerät: Die Taschentücher sind ihr auf dem eiskalten Speicher gefroren und nicht mehr zu retten. Verzweifelt wendet sie sich an eine Nachbarin, die Jungfer Schwalb. Als die sich den Schlamassel ansieht, meint sie: "es ist eine Schannt, die so schöne theüre Ostinische Tücher sind alle vertorffen [verdorben?], verfault, die Madamm v: Beethoven wirt dir auch der Marsch machen". In eckiger Klammer erklärt die Herausgeberin des Fischer-Textes, Margot Wetzstein, dass mit "vertorffen" wohl "verdorben" gemeint gewesen sei – völlig zurecht, so dass das Fragezeichen weggelassen werden könnte; auf Bönnsch hätte es verdorfe oder vertorfe geheißen.

"Der Marsch machen" – hier wird Gottfried Fischer wieder aus dem Bönnschen übersetzt haben, vermutlich hat man zu Beethovens Zeiten de Marsch maache gesagt. Es geht um eine heftige Zurechtweisung, die auch als de Marsch blose bekannt ist.

Jemandem den Marsch blasen kann man auch im Hochdeutschen, nicht aber jemandem den Nachen drücken. Du kanns me de Naache deue dient im dialogischen Austausch dazu, eine Abfuhr unmisverständlich zum Ausdruck zu bringen; übersetzen ließe sich das durch "Du kannst mir den Buckel runterrutschen!" oder knapp: "Du kannst mich mal". Der Naache ist ein Kahn (Nachen).

Noch einmal zurück zu den winterlichen Sacktüchern bei den Beethovens; der Ausgang der Geschichte ist tatsächlich weniger schön: "die Madamm v: Beethoven wirt dir auch der Marsch machen" lautete die Prophezeiung der Jungfer Schwalb – "was", wie Gottfried Fischer lakonisch anfügt, "sie auch gethan" hat. Marschmusik im Hause Beethoven!