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Kofferen (Kreis Düren)
Die Kofferaner Musikantensprache
Kofferen, in der niederrheinischen Tiefebene zwischen Köln und Aachen gelegen, war um 1800 ein Ort, dessen "Bewohner ihr Leben mehr recht als schlecht mit der Fabrikation von Birkenbesen fristeten." Um der Armut zu entkommen, begannen viele Kofferaner um diese Zeit ein neues Leben als Wandermusikanten. Sie gründeten Tanzkapellen, die meist aus sechs bis acht, seltener aus zwölf Musikern bestanden, und bereisten das ganze Rheinland, um auf Schützenfesten, Kirmesbällen, Hochzeiten oder Karnevalsumzügen aufzuspielen. Schon bald waren die Kofferaner in der Region zum Markenzeichen geworden, der Kofferaner war das Synonym für einen herumziehenden Musikanten. Kein Fest oder keine Tanzveranstaltung war mehr ohne Kapelle aus dem kleinen Ort zu denken. Die Musikanten waren derart erfolgreich, dass ihr Heimatort um 1900 als vergleichsweise wohlhabend galt, eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie die der Mausefallenkrämer aus Neroth.
Die Wanderreise einer Kapelle konnte bis zu mehreren Wochen dauern, an Tagen ohne festes Engagement spielten die Kapellen auch schon mal auf Marktplätzen oder an Straßenecken auf. Auf ihren Reisen lernten sie wie alle Landfahrer dieser Zeit auch die Sprache der Straße – und schon bald konnte sich der ganze Ort in dem nun für die Kofferaner typischen Rotwelschdialekt unterhalten. Auch heute sind Spuren dieser Musikantensprache im Ortsdialekt unüberhörbar, wie das Tonbeispiel aus Kofferen belegt. Na Kober, wie schävv-et ist noch heute eine gängige Begrüßung unter jungen Leuten, ein Bauer wird immer noch Kafferines genannt und ein Gastwirt ist selbstverständlich der Härjeskober, bei dem man einen schaskert oder achelt, aber nie 'einen trinken' oder 'etwas essen gehen' würde.
Ein Denkmal für die Musikanten: der Kofferaner Musikantenbrunnen
Die Kofferaner Musikantensprache ist ein idealtypischer Rotwelschdialekt, der neben dem rotwelschen Standardinventar auch ortstypische Besonderheiten aufweist, die zum Teil auch in der Ortsmundart gründen. Dazu gehören Wörter wie Bonnes 'Lückenbüßer', Schörrech 'Fahrrad' (zu mundartlich schörgen 'schieben'), Bronnachel 'Mütze', Räffak 'Bauer' (rückwärts gesprochener Kaffer), Zaffrong 'Respektsperson', Tullijus 'Nase' oder Länspichel 'abgestandenes Bier'. Überhaupt ist ein großer Teil des Wortschatzes dem Bereich "Gastwirtschaft" oder "Herberge" zuzuordnen, der schließlich der typische Arbeitsplatz der Musikanten gewesen ist: Dorrem 'Herberge' (in der man sich oft Jräcks 'Läuse' oder gar Fiebes 'Krätze' holte), Härrich 'Gaststätte', Härrijemoss 'Wirtin', Schächer 'Bier', Scheffje 'Glas', Schaskerrades 'Trinker', Fuckskesplöntschje 'Danziger Goldwasser', Jaijem 'Wein', Sorref 'Schnaps', schiebes 'volltrunken' oder Schaskermaijes 'Trinkgeld'. Auf die Profession der Wandermusikanten verweisen dagegen nur wenige Wörter: laitze 'musizieren', Pichel 'Trompete' und stände 'aufspielen zum Tanz'. Auffällig sind einige Übereinstimmungen mit dem Bargoens, dem niederländischen Rotwelsch: fläke 'machen, tun', Flänts 'Milch', Pölt 'Bett', Räspede 'Haare', Treu 'Hose'.
Ein kurzes Textbeispiel aus einem Wirtshausgespräch macht deutlich, wie der örtliche Kofferaner Dialekt durch einige wenige rotwelsche Einsprengsel verfremdet und unverständlich wird: Mann, esch schäff Schrocks. Van hüt Morje aa ben esch op Trett, ohne tse maijmere. Rohn ens, et jit net mar Betsinem, et jibt och gebrohne Rebet on Kieversche on Rongele.
Wie die Kofferaner Musikantensprache klingt, hört man in diesem Tonbeispiel (MP3-Datei, 8,64 MB).
Peter Honnen
Literatur:
- Peter Honnen: Geheimsprachen im Rheinland. Eine Dokumentation der Rotwelschdialekte in Bell, Breyell, Kofferen, Neroth, Speicher und Storzheim. Köln 1998.
- Leo Schmitz: Die Geheimsprache der Kofferaner Musikanten. Ein Jargon – kein Dialekt (Sonderband der Zeitschrift "Der Kofferaner"), Koffernen 1996.
Bildnachweis:
- Foto "Musikantenbrunnen am Schroof in Kofferen", fotografiert von bodoklecksel, unter CC BY-SA 3.0- und GNU-Lizenz für freie Dokumentation zur Verfügung gestellt, Quelle: Wikipedia Commons.