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Bonn (Bönnsch)
Der Stadtdialekt Bonns, Bönnsch genannt, gehört wie das Kölsche zum ripuarischen Dialektgebiet. Neben den typischen Aussprachebesonderheiten des Ripuarischen, die beispielsweise durch die Zweite Lautverschiebung (dat 'das', Deel 'Teil', Sök 'Suche'), die Rheinische Velarisierung (ming 'mein', Tsik 'Zeit') oder die Koronalisierung (räslesche 'restliche', Böömsche 'Bäumchen') bedingt sind, sticht insbesondere die sprachliche Vielfalt auf der Wortebene hervor. So kann der 'Schnittlauch' im Bönnschen ähnlich zum Hochdeutschen als Schnettlauch oder Schnittlooch bezeichnet werden, aber auch als Öllechspiefje 'Zwiebelpfeifchen' oder Beeslöfje 'Binsenlaub'.
Der Dialekt der Bundesstadt Bonn geriet in der Vergangenheit immer wieder in das Blickfeld sprachwissenschaftlicher Untersuchungen: begonnen bei 15 Fragebögen, die von Lehrern für die Sprachdatenerhebung Georg Wenkers ausgefüllt wurden (1884), über die Fragebogenstudie Josef Müllers für das Rheinische Wörterbuch (Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts) bis hin zu zahlreichen Untersuchungen des ILR seit den 1980er Jahren. War Bonn in all diesen Studien zumeist nur ein Ortspunkt von vielen, so rückte das Bönnsche in all seinen Ausprägungen in den Jahren 2011–2013 ganz exklusiv in den Fokus der Betrachtungen der Wissenschaftler. Im Rahmen ihres wissenschaftlichen Volontariats am ILR beschäftigte sich Katharina Rempel mit den unterschiedlichen Sprachvarietäten in Bonn. Die Ergebnisse werden ausführlich in ihrem Buch "Bonn, Bönnsch & Bonner Deutsch. Sprachliche Vielfalt in der Bundesstadt" vorgestellt, auf dieser Seite werden die wichtigsten Informationen zum Bonner Ortsdialekt Bönnsch präsentiert.
Ausschnitt aus einem ausgefüllten Fragebogen
Mithilfe eines Fragebogens sollten Bonner und Bonnerinnen zu ausgewählten Wörtern die ihnen bekannten Dialektwörter nennen, so beispielsweise für das traditionelle rheinische Gericht 'Kesselskuchen', für 'Dachboden' oder den 'Purzelbaum'. Die Auswertung der Antworten fand insbesondere unter zwei Gesichtspunkten statt: Zum einen wurde analysiert, inwiefern Unterschiede in den Antworten der Sprecher und Sprecherinnen aus verschiedenen Stadtteilen festzustellen waren, zum anderen wurde im Vergleich mit den Daten aus älteren Untersuchungen überprüft, ob und wenn ja wie sich das Bönnsche in den letzten 125 Jahren verändert hat.
Die Veröffentlichung des Platt-Fragebogens im Juli 2011 stieß auf große Resonanz bei den Bonner Dialektsprechern und Dialektsprecherinnen: 254 Fragebögen kamen ausgefüllt zurück ins IRL. Dabei verteilten sich die Antworten recht gleichmäßig auf alle Stadtteile – beste Voraussetzungen also, um die unterschiedlichen Dialektwörter auf ihre Verteilung über das Stadtgebiet hin zu untersuchen. Ein Ergebnis zeigte sich allerdings bereits vor der eigentlichen Auswertung deutlich: Es gibt nur noch sehr wenige junge Dialektkundige in Bonn. Von den Befragten waren lediglich zehn Personen unter 50 Jahre alt, nur vier Teilnehmende waren jünger als 40 Jahre. Gerade weil der Dialekt somit im Alltag immer weniger präsent ist, freuten sich die Dialektsprecher über die Befragung: "Es freut mich sehr, dass Sie sich mit meiner Muttersprache beschäftigen! Der alte Dialekt stirbt aus, meine Kinder z. B. sprechen ihn auch nicht mehr, da sollte man die Reste dokumentieren", schrieb eine 62-jährige Gewährsperson.
Kesselsknall, Döppekooche und Co.
Die Resultate zu den einzelnen Bezeichnungen, die die Teilnehmenden auf Platt angeben sollten, lassen sich nicht derart deutlich zusammenfassen, hier muss differenziert werden. So gibt es einige Dialektwörter, bei denen sich innerhalb des Bonner Stadtgebiets deutliche geographisch bedingte Varianz zeigt. Dazu gehören die Bezeichnungen für 'Kesselskuchen' und 'Stachelbeere'. Hier gibt es eine große Vielzahl an Benennungen, die sich klar den einzelnen Stadtgebieten zuordnen lassen. So dominieren für 'Kesselskuchen' im Zentrum der Stadt (Zentrum, Südstadt, Weststadt, Nordstadt, Castell) die Varianten Kesselskoche und Döppekooche. Im Norden der Stadt (Graurheindorf, Auerberg, Buschdorf, Tannenbusch) und im Bezirk Beuel sind die Formen (Diejels-, Kessels-)Knall und Knällchen am beliebtesten.
Die westlichen Stadtteile (Dransdorf, Lessenich/Meßdorf, Endenich, Lengsdorf, Duisdorf) essen am liebsten Kesselskooche, genau wie ihre Nachbarn in der Gemeinde Alfter. Im südlichen Bonn (Poppelsdorf, Kessenich, Dottendorf, Ippendorf, Ückesdorf, Röttgen) tritt eine neue Form neben Kessels- und Döppekooche: K(n)üles. Und umso weiter man nach Süden fährt, desto beliebter wird der K(n)üles, in Bad Godesberg und alle dazugehörigen Stadtteilen ist er die meist genannte Form, ebenso in der angrenzenden Gemeinde Wachtberg. Eine Variante, die in der Stadt Bonn wenig verwendet wird, in den nordöstlich der Stadt liegenden Orten aber sehr beliebt ist, ist Puttes.
Blötsch, Plötsch und mehr
Bei den Bezeichnungen für 'Delle' kann man, trotz wesentlich geringerer Variantenvielfalt, ebenfalls geographische Unterschiede feststellen. So dominiert im Süden der Stadt die Form Plötsch, je weiter man aber die Stadt nach Norden durchquert, desto häufiger lautet die Bezeichnung Blötsch. Ein Vergleich mit einer Dialektumfrage für das gesamte Rheinland zeigt, dass bei diesem Wort eine Grenze direkt durch Bonn verläuft: Im südlichsten Rheinland und den angrenzenden Gebieten in Rheinland-Pfalz heißt es Plötsch, nördlich der Bundesstadt, bereits in Köln, trifft man in Dialektwörterbüchern und Umfragen fast ausschließlich auf die Blötsch.
Eine solche Varianz zeigt sich in den Daten aus den unterschiedlichen Stadtteilen allerdings nicht immer, auch wenn es sie in der Vergangenheit einmal gegeben hat. Dies veranschaulicht das Beispiel 'Woche' sehr gut. Während in den Fragebögen Georg Wenkers zum Deutschen Sprachatlas (1884) in Bad Godesberg die Variante Wauch auftritt, in den südlichen Stadtteilen Weich und Wäch, im Zentrum, dem Westen und in Beuel Wauch dominiert und im Norden Weich genannt wird, sieht das Bild 2011 sehr viel einheitlicher aus. So hat sich, ausgehend vom Zentrum der Stadt die Form Woch, die auch der hochdeutschen Variante am ähnlichsten ist, in der gesamten Stadt durchgesetzt. Die alten Formen werden nur noch vereinzelt genannt, lediglich in den angrenzenden kleineren Städten und Gemeinden tauchen sie noch etwas häufiger auf. Es lässt sich auf Grundlage dieses diachronen Vergleichs allerdings vermuten, dass in einigen Jahren auch dort Woch uneingeschränkt vorkommen wird. Ein ähnliches Schicksal, wenn auch noch nicht ganz so deutlich, erleiden die vielen Varianten für 'huckepack', 'Frosch' und 'Kröte'. Hier hat sich offensichtlich stets nur eine Variante durchsetzen können, die anderen gerieten in den Hintergrund.
Daneben gibt es Bezeichnungen, zu denen die Dialektsprecher und Dialektsprecherinnen auch heute noch viele Synonyme kennen, diese lassen sich jedoch nicht bestimmten Stadtteilen zuordnen. Dies ist beispielsweise bei den Ergebnissen für 'jemanden untertauchen (z. B. im Schwimmbad)' und 'etwas eintauchen (z. B. Gebäck in den Kaffee)' der Fall. Hier kennen zum Teil dieselben Personen mehrere Varianten, wie zoppe, stippe, tunke und ducke.
Warum sich die einzelnen Begriffe in den letzten 125 Jahren unterschiedlich entwickelten, ist nicht immer eindeutig auszumachen. Die genauen Funktionen des Sprachwandels und die Kriterien, die dazu führen, dass bei einer Bezeichnung viele Varianten überdauern, bei anderen aber nicht sind nicht immer auszumachen.
Welche dialektalen Wörter auch noch im Bonner Regiolekt verwendet werden und welche dieser Wörter auch junge Sprecherinnern und Sprecher noch kennen und gebrauchen, kann hier nachgelesen werden.
Wie das Bönnsche klingt, ist in unserer Sprechenden Sprachkarte zu hören: Bonn .
Georg Wenker verschickte 1884/85 einen Fragebogen im Rheinland. Der Bogen umfasst 40 Sätze, die aus dem Hochdeutschen in den Dialekt übertragen worden sind. Wir haben den damals in Bonn ausgefüllten Fragebogen für Sie „abgeschrieben“. Der Bogen wird in Marburg aufbewahrt und kann auf der Homepage des Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas angesehen und heruntergeladen werden.
Wenkersätze aus Bonn (Nr. 26373)
- Ämm Winte flege dä drügge Blädde dorrech dä Luff ärömm.
- Ätt hüätt jlich opp zo schneie, dann wiäd datt Wädde widde basse weade.
- Donn Kolle änn dä Owwe, datt dä Millech (auch Millich) bahl zo kochche ahnfäng(k).
- Dä jode ahle Mann äß mett dämm Pead dorch‘ett Ihs jebrochche onn änn datt kahle Wasse jefalle.
- Hä äß füä viä ode sechs Woche gestorwe.
- Datt Füä woa zo heeß, de Kohche sänn jo unge janz schwazz jebrannt.
- Hä eß dä Eie ämme ohne Salz onn Päffe.
- Dä Föhß donn miä siä wih, äch jlöw, äch hann sä dorrech jelofe.
- Äch sänn (auch „sinn“) bei deä Frau gewäs onn hann ett iä jesaht, onn se säht, se wolld‘ett och ihre Tochte sache.
- Äch wäll’ett och nett mieh widde dohn.
- Äch schlohn dech jlich mätt dämm Kochlöffel ömm dä Uhre, do Aap.
- Wo jehste hin, salle miä mett diä john.
- Ätt sänn (auch „zinn“) schlähte Zigge.
- Ming lew Kind (auch Kong) bliev he unge stohn; dä kott Jäns bieße däch duht.
- Do häß hück am mietzte jeliehrt onn beß adig jewäs, do darfs fröje noh Hus john we de Annere.
- Do beß noch nett jruß jenohch, ömm änn Fläsch Wing ußzodrinke, do moß iäz noch ä Kittche wahße onn jrüße weade.
- Jank, beß ä su joht, onn sahch dinge Schweste, se sallt de Klede füä üä Motte feadig niä onn mett dä Büäsch reen mahche.
- Hätts dä‘nn jekannt, dann wir‘et andesch jekomme, onn‘et däht besse ömm’en stohn.
- Weä hätt miä minge Korrew mett Fleesch jestolle
- Ä (auch „hä“) däht äsu, als hatten se inn zomm Dresche bestallt, sä hann’et äwwe sällews jedohn.
- Wämm hadd’ä dä neu Jeschäch väzallt.
- Mä moß laut schreie, sönz västeht’ä onz nett.
- Miä sänn möhd onn hann Duäsch.
- Als miä jeste Owend zoröck kome, do lohche dr Annere alt ämm Bett onn wore faß am schlofe.
- Dä Schnie äß diß Nahch bei onz liä jeblewwe, äwwe hück morje äss’e jeschmolze.
- Hinge onsem Hus stohn drei schön Appelböhmche mätt rude Äppelche.
- Konnt (auch „künnt“) iä nett noch ä Ohchebleckche (auch „Kittche“) opp onz wade, dr john miä mett üch.
- Iä dörref kenn esu Kindereie driewe.
- Onz Berg senn nett siä huh, de ühre senn vill hüe.
- Wie vill Pond Wuäsch onn wie vill Brud wollt iä hann (auch „wolld’e“).
- Äch vestonn üch nett, iä moßt ä beßche laute spreche.
- Hadd iä (auch „hadd’e“) kee Stöckche wieße Seef füä mäch opp mingem Desch jefunge.
- Singe Brode well säch zwei schön neu Hüse änn ürem Jade baue.
- Datt Woat kom ämm vamm Häzze.
- Datt woa rähch van inne.
- Watt setze do fuä Vüälche owwe opp dämm Müäche.
- Dä Buäre hatte fönnef Oaße onn nüng Köh onn zwöllef Schöfche füä datt Dorref braht, de wollte sä vekoofe.
- Dä Lück senn hück all drusse omm Feld onn mähe.
- Jank nuä, dä braune Hond (auch „Hong-k“) deht diä nex.
- Äch senn mett dä Lück do hinge üwwe dä Wiß änn‘et Koan jefahre.
Literatur:
- Katharina Rempel: Bonn, Bönnsch & Bonner Deutsch. Bonn 2013.
- RhWB = Rheinisches Wörterbuch. […] bearbeitet und herausgegeben von Josef Müller u. a. Bonn/Berlin 1928-1971. [URL: http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=RhWB].
- Wenkerbogen Bonn (Nr. 26373). Forschungsplattform regionalsprache.de. [URL: https://regionalsprache.de/Wenkerbogen/QuestionnaireViewer.aspx?Id=47382].