LVR-Institut für Landeskunde
und Regionalgeschichte
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Alltag in der Krise – die Krise im Alltag

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf regionale Alltagskulturen im Rheinland

In einer nächtlichen Straßenschlucht liegt einen Maske auf dem regennassen Boden Maskenmüll, Bonn 2020. Foto: Gabriele Dafft/ LVR

Eigentlich möchte man ja gerne mal raus aus dem Alltag: Austeigen aus den täglichen Routinen, aus dem immer wiederkehrenden Trott aus Weckerklingeln, Pausenbrote schmieren, Arbeiten, Kochen, Einkaufen, Schule, Spülmaschine ausräumen, Sonntagsabend Tatort gucken undsoweiter. So gestalten wir Urlaubsreisen, Wochenenden oder auch Feste wie den Karneval als Ausstieg aus dem Alltag, als Gegenwelt für ein paar Tage oder Wochen.

Seit eineinhalb Jahren leben wir alle in einer Situation, die den Alltag auf den Kopf stellt: Die Corona-Pandemie forderte gerade zu Beginn massive Einschränkungen von allen Bürgerinnen und Bürgern, die Schließung von Schulen und Kitas, von Cafés und Kneipen, von Bibliotheken, Verwaltungen, Museen und Kirchen hatte gravierende Konsequenzen für die Alltagsgestaltung. Maßgaben wie „Abstand halten", alle sozialen Kontakte auf das allernotwendigste reduzieren“ hemmen zwar die Verbreitung des Virus, sind aber für das hochgradig soziale Wesen Mensch ein existentieller Einschnitt. Hinzu kommen Verunsicherung und Sorge: Wie gehen wir mit diesem neuen Virus um? Wie schützen wir uns und andere? Wie lange wird das dauern mit den Ausgangsbeschränkungen? Wie geht es weiter?

Es klingt makaber, aber für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte ist diese Situation von hohem Interesse. Denn ein Forschungsschwerpunkt hier ist die Alltagskultur in der Region. Und aktuell beobachten wir, wie dieser Alltag aus den Fugen, aus den verlässlichen und vertrauten Rahmen fällt. Wir sehen auch, wie sich neue Routinen und Rituale entwickeln, wie Menschen umgehen mit der Herausforderung, drei Kinder zuhause und das Homeoffice unter einen Hut zu bringen oder wie sich die Kulturbranche mit den Pandemie-Regelungen arrangerieren muss. Wir nehmen wahr, wie Menschen versuchen, sich abzusichern: durch das Anlegen von Vorräten an haltbaren Lebensmitteln und Klopapier. Wir entdecken Alltagsheldinnen und –helden, die sich um Nachbarn kümmern oder die abends um 18 Uhr am Fenster Geige und Trompete spielen, um ein Stück Gemeinschaftsgefühl im Veedel herzustellen.

Bunte Steine auf Holzplanken, ein Schild daneben fordert dazu auf die "Kleinbüllesheimer Steine" zu ergänzen. Steinschlange, Euskirchen 2020. Foto: Peter Weber/LVR

Wir hören zu, wie Rheinländerinnen und Rheinländer über den oder das – oder auch dat Virus reden, wie sie in ihrer Sprache schimpfen über die Einschränkungen und über die, die sich partout nicht an die Regeln halten wollen. Wir halten fest, was die Menschen vermissenund worauf sie sich wieder freuen. Mit diesen Beobachtungen versuchen wir, die Funktionsweisen des Alltags besser zu verstehen und begleiten die Menschen in unserer Region durch die Krise im Alltag – und den neuen Alltag in der Krise.

In den vergangenen Monaten haben wir an dieser Stelle immer wieder unsere Beobachtungen veröffentlicht, die Geschichten, die wir sehen und hören, erzählt und dabei erklärt, warum wir eigentlich hamstern, was es mit dem momentan so begehrten Klopapier auf sich hat, welche neuen Rituale und Routinen den Menschen im Krisenalltag helfen oder wie sich tradtionielle Bräuche unter dem Einfluss der Pandemie wandeln. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Blick in die Strukturen des Alltags in der Krise.

Wenn Sie hierzu etwas beitragen möchten, schicken Sie uns gerne Ihre Kommentare, Geschichten, Fotos und vielleicht auch Videos an: rheinische-landeskunde@lvr.de .

Krisen-Netzwerke

Nicht nur in Bonn und dem Rheinland beginnen Kulturwissenschaftler*innen, die aktuelle Situation zu beobachten, zu dokumentieren und zu erklären:

Unsere Kolleg*innen in der ILR-Abteilung Alltagskultur und Sprache arbeiten derzeit am einer Publikation, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Krisen im Alltag beschäftigt und dabei vor allem auch die Frage nach Bewältigungsstrategien stellt.
Unser ILR kooperiert mit der Abteilung Kulturantrhopologie der Universität Bonn im Rahmen des Projektes "Bonndemic - Pandemischer Alltag" Viele weitere Kolleg*innen im In- und Ausland haben den „Alltag in der Krise“ im Blick, beispielsweise Studierende und Lehrende der empirischen Kulturwissenschaften der Universität Freiburg. In ihrem Blog „Alltag in der Krise“ finden Sie interessante Beiträge zur veränderten Alltagskultur. Viel Spaß beim Lesen: https://alltaginderkrise.org/.